Schadensersatz- und Ausgleichsanspruch des fristlos gekündigten Vertragshändlers (Urteil Tribunal Supremo vom 8. Oktober 2013 – Ignacio Sancho Gargallo)
1. Schadensersatzanspruch wegen nichteingehaltener Kündigungsfrist darf nicht auf den Ersatz der nichtamortisierten Investitionen beschrankt werden, sondern muss auch den entgangenen Gewinn enthalten.
2. Kein Ausgleichsanspruch, wenn das vorgelegte Sachverständigengutachten, nicht die Kunden konkret bestimmt, die dem Hersteller in der Zukunft weiter erhebliche Vorteile verschaffen.
Ein deutscher Hersteller für Fischnahrung kündigt nach 20 Jahren seinen Exklusivhändler für Nordspanien fristlos. Die Kündigung beruht auf dem kontinuierlichen Umsatzrückgang des Händlers während der letzten 4 Vertragsjahre. Ein schriftlicher Vertrag bestand nicht.
Der Händler klagte vor dem Gericht Erster Instanz von Barcelona auf Ersatz der Kosten für die Neuauflage eines Werbekatalogs (7.000,- €), Schadensersatz wegen Nichteinhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten (273.057,38 €) und Ausgleich für den hinzugewonnenen Kundenstamm (546.114,75 €).
Das Gericht Erster Instanz von Barcelona wies die Klage vollumfänglich ab. In Bezug auf den geltend gemachten Ausgleichsanspruch habe der Händler nicht konkret nachgewiesen, welche der geworbenen Kunden in der Zukunft weiter die Produkte der Herstellerin beziehen würden. Das vom Händler beigebrachte Sachverständigengutachten habe die geworbenen Kunden und das erreichte Geschäftsvolumen nicht ausreichend identifiziert. Ebenso wenig habe es die dem deutschen Hersteller in der Zukunft zufließenden Vorteile dargestellt. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche lehnte es ebenfalls ab, da diese nicht automatisch bereits durch die Verletzung vertraglicher Pflichten –hier die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist- entstehen würden. Der entstandene Schaden müsse ungeachtet der Vertragsverletzung konkret bewiesen werden. Diesen Nachweis habe der Händler nicht erbracht.
Das Provinzgericht Barcelona bestätigte das erstinstanzliche Urteil und wies die vom Händler eingelegte Berufung zurück.
Hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs erkennt der Tribunal Supremo keine Anhaltspunkte für eine offensichtlich unlogische oder willkürliche und damit fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht. Vielmehr habe dieses die von der Rechtsprechung für den Nachweis des Kundenstamms und des dem Hersteller hypothetisch zufließenden Gewinns aufgestellten Kriterien nicht offensichtlich fehlerhaft zur Anwendung gebracht. Die nochmalige Überprüfung der Beweiswürdigung durch die Kassationsbeschwerde ist grundsätzlich unzulässig.
Allerdings gab der Tribunal Supremo der Kassationsbeschwerde in Bezug auf den beanspruchten Schadensersatzanspruch teilweise statt.
Nach Auffassung des Tribunal Supremo entspreche es zwar grundsätzlich der ständigen Rechtsprechung, dass durch die fristlose Kündigung eines Vertragshändlervertrages nicht automatisch ein Schadensersatzanspruch ausgelöst werde. Jedoch hätten die Instanzgerichte den ersetzbaren Schaden rechtsfehlerhaft auf die nichtamortisierten Investitionen beschränkt, in dem sie den geltend gemachten Schadensersatzanspruch allein wegen des fehlenden Nachweises des durch die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist entstandenen Schadens ablehnten. Die Instanzgerichte hätten damit den Ersatz des entgangenen Gewinns unzulässigerweise ausgeschlossen.
Zwar sei die einseitige Beendigung des Vertragsverhältnisses aufgrund des Umsatzrückganges gerechtfertigt und deshalb wirksam gewesen. Jedoch hätte der Hersteller aufgrund der langjährigen Geschäftsbeziehung entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben analog Artikel 25 Handelsvertretervertragsgesetz eine Kündigungsfrist von 6 Monaten gewähren müssen, um so dem Händler die Möglichkeit zu geben, seinen Geschäftsbetrieb umzustellen. Der Tribunal Supremo bejahte somit, in Abweichung zu den erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen, dass der für diesen Zeitraum entgangene Gewinn vom Hersteller zu ersetzen war.
Der Händler hatte auch zur Ermittlung des Durchschnittsgewinns ein Sachverständigengutachten vorgelegt. Das Gutachten hatte hierzu die Einkaufs- und Verkaufszahlen der Jahre 2003 bis 2007 gegenüber gestellt und einen Bruttogewinn für 6 Monate in Höhe von 273.057,38 € berechnet.
Der Tribunal Supremo urteilte, dass zwar für die Berechnung des entgangenen Gewinns auf den monatlichen Durchschnittsgewinn, ermittelt aus den letzten 5 Vertragsjahren, abgestellt werden könne -auch wenn es sich hierbei nicht um die einzig mögliche Berechnungsweise handele-, jedoch müsste die Nettomarge zu Grunde gelegt werden; d.h. die dem Händler im Rahmen des Vertriebs der Vertragsprodukte üblicherweise entstehenden Kosten wie z.B. Personal-, Transport- und Finanzierungskosten. Auf der Grundlage der Analyse der Jahresabschlüsse die der beklagte Hersteller in seiner Klageerwiderung vorgenommen hatte, legte der Tribunal Supremo eine Nettomarge von 11,51% zu Grunde und ermittelte selbst den dem Händler wegen der nicht eingehaltenen 6-monatigen Kündigungsfrist zu ersetzenden entgangenen Gewinn mit 65.444,52 €.
Entsprechend hob der Tribunal Supremo das erst- und zweitinstanzliche Urteil teilweise auf.
Rückzahlung Aufwendungsersatz des Handelsvertreters (Urteil Tribunal Supremo vom 28. November 2013 – Rafael Saraza Jimena)
Wird im Handelsvertretervertrag keine abweichende Regelung vereinbart, hat der Handelsvertreter die vom Prinzipal vorgeleisteten Kosten seiner Vermittlungstätigkeit zurück zu erstatten.
Dem Rechtsstreit lag ein zwischen einem Buchverlag und einem Buchhändler abgeschlossener Handelsvertretervertrag zu Grunde, der keine Regelungen in Bezug auf den Aufwendungsersatz des Handelsvertreters enthielt. Nach Beendigung des Handelsvertretervertrages klagte der Buchverlag auf Rückzahlung vorgeleisteter Kosten für die Geschäftsvermittlungstätigkeit des Handelsvertreters in Höhe von 439.386,84 €.
Der Buchhändler argumentierte, dass der Rückzahlungsanspruch auf der Grundlage von Artikel 18 de spanischen Handelsvertretervertragsgesetzes nicht gegeben sei.
Artikel 18 spanisches Handelsvertretergesetz: Der Handelsvertreter hat keinen Anspruch auf Ersatz der ihm durch die Ausübung seiner Gewerbstätigkeit entstandenen Aufwendungen.
Nach Auffassung des Buchhändlers richte sich Artikel 18 nur an den Handelsvertreter; d.h. nur er und nicht der Prinzipal könne einen Zahlungsanspruch aus dieser Norm ableiten.
Sowohl das Gericht Erster Instanz von Barcelona, als auch die 15. Zivilkammer am Provinzgericht von Barcelona und schließlich auch der Tribunal Supremo lehnten diese Argumentation ab.
Der Tribunal Supremo bestätigte, dass es sich bei Artikel 18 um eine Norm handelt, die das beide Parteien betreffende Vertragsverhältnis in Bezug auf den Ersatz der dem Handelsvertreter im Rahmen seiner Vermittlungstätigkeit entstehenden Aufwendungen regelt. Die Vorschrift richte sich deshalb nicht nur an den Handelsvertreter.
Konkret sähe die Norm vor, dass der Handelsvertreter keinen Anspruch auf die Zahlung eines Aufwendungsersatzes habe und damit der Prinzipal auch nicht zahlungsverpflichtet sei, wenn vertraglich nichts anderes vereinbart wurde.
Der Vorschrift läge die allgemeine Regel zu Grunde, dass der Handelsvertreter für die Kosten seiner Vermittlungstätigkeit selbst aufkommen muss. Dies entspreche auch dem gesetzlichen Leitbild, da es sich beim Handelsvertreter um einen selbständigen, unabhängigen Unternehmer handele.
Hieraus folgte im vorliegenden Fall, dass mangels entsprechender vertraglicher Regelung der Handelsvertreter zur Rückzahlung der vom Prinzipal für die Geschäftsvermittlungstätigkeit vorgeleisteten Kosten verpflichtet war und die auch wegen andere Gründe eingelegte Kassationsbeschwerde verworfen und das Berufungsurteil bestätigt wurde.
Madrid, den 28. Mai 2014