HANDELSVERTRETERAUSGLEICHSANSPRUCH FÜR DEN KOMMISSIONSAGENTEN?
Seit mehreren Jahren beschäftigt der Fall „Chattawak“ die französischen Obergerichte. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob ein Kommissi-onsagent bei Vertragsende einen Handelsvertreterausgleichsanspruch gelten machen kann.
Mit einer Entscheidung vom 29. Juni 2010 hat der Kassationsgerichtshof die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs bei der gegebenen Vertragsgestaltung (hier die sogenannte „Affiliate-Kommission“) näher beschrieben, ohne jedoch eine endgültige Klärung der Frage herbeizuführen.
Nach mehreren Etappen des Verfah-rens sind die Fakten der Sache Chattawak nunmehr im Großen und Ganzen geklärt. Nachdem die Fa. Chantal Pieri für einige Zeit als Franchisenehmerin die Produkte der Marke Chattawak vertrieben hat, schloss sie mit ihrem Lieferanten einen Vertrag über eine so genannte „Affiliate-Kommission“. Anlässlich eines Umzugs des Geschäfts in neue Lokalitäten entstand ein Streit, als der Lieferant aus diesem Grunde den Vertrag beendete.
Die Frage, die sich seit Beginn des Rechtsstreits stellt, ist, ob der zwischen den Parteien geschlossene Affiliate-Kommissionsvertrag in einen Handels-vertretervertrag umgedeutet werden kann. Von dieser Umdeutung hängt der Erhalt einer Ausgleichszahlung bei Vertragsende ab, auf die der Händler nur einen Anspruch erheben kann, wenn es ihm gelingt, seinen Status als Handelsvertreter darzulegen. Generell steht in dieser Sache möglicherweise die Zukunft der Affiliate-Kommission auf dem Spiel.
2008 hatte der Kassationsgerichtshof in dieser Sache entgegen der Vorinstanz eine Einordnung als Handelsvertretervertrag mit dem Grund abgelehnt, dass der Vertrag eine Klausel enthielt, wonach der Franchisenehmer „ein unabhängiger Händler und Eigentümer seines Geschäfts“ sei (Cour de Cassation, Handelskammer, 26.02.2008, Nr. 06-20.772). Jedoch war dieses Argument schwach, denn es unterstellte, dass die vertragliche Formulierung nicht rein formell war, anders gesagt das Vorliegen des Handelsgeschäfts selbst wurde unterstellt.
Dem Berufungsgericht, an das die Sa-che zurückverwiesen wurde, und das sich der Position des Kassationsge-richtshofs widersetzte und einen Han-delsvertretervertrag bejahte, gelang es nicht, diese Zweideutigkeit, die viel-leicht auch den Tatsachen im vorlie-genden Fall anhaftet, zu klären. Seine Begründung fiel etwas knapp aus als es urteilte, dass der Händler nicht nur auf Rechnung seines Lieferanten han-delte, sondern entgegen dem Ver-tragswortlaut nicht in eigenem, son-dern in dessen Namen. Die Aufhebung dieses Urteils ist verständlich.
Die Bestimmung des Verkäufers
Laut Kassation fehlt der Entscheidung des Berufungsgerichts die Rechtsgrundlage, da es den Affiliate-Kommissionsvertrag in einen Handels-vertretervertrag umgedeutet hat, ohne zu überprüfen, welche der beiden Firmen den rechtlichen Status als Verkäufer hatte. Das Berufungsgericht, an das die Sache verwiesen wird, muss diesen Punkt klären. Es bleibt eine schwer zu beseitigende Zweideutigkeit: zunächst erinnert der Kassationsgerichtshofs mit Recht daran, dass es nicht genügt, dass die Identität des Auftragsgebers sichtbar ist, um die Beziehung zu einem Auftragsverhältnis werden zu lassen. Es muss rechtliche Transparenz vorliegen d.h. ein direktes Vertragsverhältnis zwischen Lieferanten und Kunden. Kann man sagen, dass es bei der Affiliate-Kommission keine Transparenz gibt? Ist der Sinn der Schaffung dieser Ver-triebsart nicht gerade, die Kontrolle über den Verkauf beim Lieferanten zu lassen, vor allem in Bezug auf die Prei-se? Greifen wir die hier vorliegenden Vertriebsbedingungen auf: die Verkäufe wurden zwar im Namen des Händlers auf Rechnung des Auftraggebers getätigt, der Kom-missionär trieb aber die mit seinen Kunden erzielten Verkaufserlöse ein, um deren Betrag auf ein im Namen des Auftragsgebers eröffnetes Konto einzuzahlen. Außerdem nahmen alle Schreiben des Auftragsgebers an sei-nen Kommissionär, sowie alle Rech-nungen, alle an die Kunden ausge-händigten Belege oder auch die Schreiben der Bank des Kommissionärs auf die Marke des Lieferanten Bezug, allein oder neben dem Firmennamen des Händlers. Daher die Annahme des Berufungsgerichts, der Händler habe im Namen des Lieferanten gehandelt. Wenn das Berufungsgericht erneut mit dieser Begründung einen Handelsver-tretervertrag bejahen will, müsste es seine Begründung diesbezüglich er-gänzen.
Vorliegen eines eigenen Handelsgeschäfts
Danach wirft der Kassations-gerichtshof dem Berufungsgericht vor, festgestellt zu haben, dass der Kommissionär über einen eigenen, vom Lieferanten unabhängigen Kundenstamm verfügte. Diese Begründung sei zur Bejahung eines Handelsvertretervertrages falsch, da ein Handelsvertreter keinen eigenen Kunden habe. Die Frage ist insofern schwierig, als die Umstände im vorliegenden Fall komplex sind: Der Händler war Franchisenehmer bevor er Kommissionsagent wurde. Folglich verfügte er über einen persönlichen und vom Franchisegeber unabhängigen lokalen Kundenstamm. Was ist aus diesen Kunden geworden, über die der Franchisenehmer vor der Abänderung der Vertriebsart verfügte? Ist die Folge dieser Modifizierung, dass der durch sie erzielte Gewinn nun auf den Lieferan-ten übertragen wird? In Wahrheit, selbst wenn der Händler über einen bestimmten Zeitraum hinweg über einen gewerblichen Kundenstamm verfügte, ist dieser im abgeänderten Vertragsrahmen von nun an dem Lieferanten zugeordnet, der die Risiken trägt. Erneut führen die Überlegungen dazu, dass die Klientel mehr dem Lieferanten als dem Händler zugeordnet wird. Die Einstufung als Auftrag, wenn auch nicht unbedingt als Handelsvertre-tungsvertrag, ist schwer zu verneinen.
Einfluss des gewerblichen Mietvertrags
Zuletzt urteilt der Kassationsgerichts-hof, dass das Vorliegen eines gewerb-lichen Mietvertrags zugunsten des Vertreibers ein wesentliches Element des Rechtsstreits sei, da ein Handelsvertreter typischerweise kein eigenes Ladengeschäft habe und kein Kaufmann sei, im Gegensatz dazu, was das Berufungsgericht festgestellt hatte. Dieser Entscheidungsgrund verwundert: Es ist wahrscheinlich, dass im vorliegenden Fall der Mietvertrag geschlossen wur-de, als der Vertreiber Franchisenehmer war und er tatsächlich einen eigenen Kundestamm und ein eigenes Han-delsgeschäft betrieb. Die Dinge haben sich 1999 mit der Einführung der Affiliate-Kommission geändert. Das Einverständnis des Vermieters konnte leicht dazu führen, einen gewerblichen Mietvertrag beizubehalten, obwohl der Mieter kein unabhängiger Kaufmann mehr war.
Handelsvertretervertrag oder Auftrag im gemeinsamen Interesse?
Führt all das dazu, dass die Einordnung als Handelsvertretervertrag auf diese Situation am besten passt? Im gegenwärtigen Zustand der Rechtsprechung geht das zu weit. Tatsächlich hängt die Annahme des Handelsvertreterstatus weder vom im Vertrag geäußerten Willen der Parteien ab, noch von der Bezeichnung, die sie ihrem Vertrag gegeben haben, sondern von den Bedingungen, unter denen die Tätig-keit tatsächlich ausgeführt wird (Cour de cassation, Handelskammer, 10.12.2003). Die Einstufung hängt also von der Aufgabe ab, die dem Händler anvertraut wird. Wenn eine Einstufung als Auftrag möglich ist, ist nicht immer auch ein Handelsvertretervertrag an-zunehmen. Der Kommissionär kann die Preise nicht festlegen und es kann ihm auch die Verhandlungsvollmacht fehlen, welche nach der Rechtsprechung das Kernstück der Handelsvertretermission darstellt (Cour de cassation, Handelskammer, 15.01.2008). Nicht jede Affiliate-Kommission kann daher mit einem Handelsvertretervertrag gleichgestellt werden.
Die Affiliate-Kommission ist ein Auftrag und keine wirklicher Kommissionsver-trag. Genauer gesagt handelt es sich um einen „Auftrag im gemeinsamen Interesse“, nach französischen Recht die Grundlage des Handelsvertreter-vertrages. Im vorliegenden Fall könnte also der Händler den Ausgleichsan-spruch, den er geltend macht, am Ende doch noch erhalten.
Mitgeteilt von Christoph Martin RADTKE
Avocat, Rechtsanwalt, Partner
LAMY & AssociES, Lyon, Paris