Fristlose Kündigung wegen ungenügender Tätigkeit
Vertragspartner im vorliegenden Fall waren eine Aktiengesellschaft, die elektronische Komponenten, Module und Sensoren mit Schwergewicht auf der Dünnfilmtechnik entwickelt, herstellt und vertreibt, und ihre Agentin mit Sitz in Frankreich, die seit 1993 als exklusive Vermittlungsagentin für die Produkte der Unternehmung in Frankreich tätig war.
Am 26. Juli 2007 kündigte die Unternehmung den Agenturvertrag fristlos. Sie machte der Agentin zum Vorwurf, trotz Abmahnungen eine teilweise inexistente beziehungsweise ungenügende Agenturtätigkeit entfaltet und sich geweigert zu haben, ihre Geschäftstätigkeiten zu rapportieren, mit ihr abzusprechen und zu koordinieren und insbesondere mit der neuen Verkaufsorganisationsleitung zusammenzuarbeiten.
Schadenersatz wegen fristloser Kündigung
Die Agentin klagte vor Handelsgericht des Kantons Aargau CHF 516’000.00 und weitere CHF 148’500.00 ein. Das Handelsgericht hiess die Klage in Höhe von CHF 14’400.00 für noch nicht ausbezahlte Provisionen für den Monat Juli 2007 und von CHF 300’000.00 als Schadenersatz wegen ungerechtfertigter fristloser Vertragsauflösung gut.
Die Vorinstanz verneinte, dass im Verhalten der Agentin ein Verstoss gegen vertragliche Pflichten zu erkennen sei, der die fristlose Vertragsauflösung zu rechtfertigen vermöge. Die Agentin sei nicht weisungsgebunden, stehe nicht in einem Subordinationsverhältnis und dem Agenturvertrag lasse sich nichts über neue Marketing- und Verkaufsabläufe, die Schaffung der Stelle eines Verkaufsleiters oder die Einbettung der Agentin in neue Strukturen entnehmen.
Enge Grenzen für Weisungsrecht des Auftraggebers
Das Bundesgericht verweist in seinem Entscheid (4A_ 229/2010 vom 7. Oktober 2010) darauf, in der Literatur sei man sich darüber einig, dass der Agent zwar in einem gewissen Mass weisungsgebunden sei und übernommene Geschäfte vertragsgemäss und weisungsgemäss zu besorgen habe. Dabei seien auch einseitige Ausführungsanweisungen möglich, dem Weisungsrecht im Agenturvertrag seien jedoch relativ enge Grenzen gesetzt, weil der Agent selbständiger Gewerbetreibender sei und für die Kosten seines Geschäfts¬betriebs selber aufkomme. Organisatorisch sei der Agent weisungsungebunden.
Treuepflicht führt nicht zu grösserer Weisungsgebundenheit
Von der Weisungsgebundenheit sei die Treuepflicht zu unterscheiden, welche die Unternehmung mehrfach als Begründung für die fristlose Kündigung herangezogen hatte. Aus der Treuepflicht des Agenten lasse sich nicht auf eine weitere Weisungsgebundenheit schliessen als sie oben umschrieben wurde.
Agent muss sich Strategie nicht vorschreiben lassen
Zusammengefasst: Ohne gegenteilige Vereinbarung zwischen den Parteien sei es Sache des Agenten, auf welche Weise er für den Auftraggeber Geschäfte vermittle und müsse er sich die zu verfolgende Strategie nicht vom Auftraggeber vorschreiben lassen.
Berechtigte Schadenersatzansprüche des Agenten
Das Bundesgericht führt weiter aus: “Das Agenturverhältnis ist durch eine fristlose Kündigung des Vertrags auch dann als sofort beendet zu betrachten, wenn sich die fristlose Auflösung nachträglich als ungerechtfertigt erweist. Die ungerechtfertigte Auflösung des Vertrags hat zur Folge, dass der Auftraggeber dem Agenten Schadenersatz im Sinne von Art 337c Abs. 1 und 2 OR zu leisten hat (Art 418r OR).”
Mitgeteilt von Dr. André Thouvenin, Thouvenin Rechtsanwälte, Zürich.