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Oberlandesgericht München Urteil vom 10.06.09

AUCH FÜR DEN HANDELSVERTRETERAUSGLEICHSANSPRUCH GIBT ES EINEN AUSKUNFTSANSPRUCH

Das Oberlandesgericht München hat mit Urteil vom 10.06.09, Az.: 7 U 4522/08 nunmehr erstmals oberge-richtlich bestätigt, dass es auch für den Handelsvertreterausgleichsan-spruch einen Auskunftsanspruch gibt.

Der zugrundeliegende Fall:

Der Beklagte war als Handelsvertreter für die Klägerin, welche im Strukturvertrieb überwiegend Versicherungen vermittelt, tätig. Der Beklagte hatte dabei bis zu 60 ihm in der Struktur untergeordnete Mitarbeiter aufgebaut. Das Vertragsverhältnis wurde von der Klägerin ordentlich zum 30.04.04 gekündigt, wobei die Klägerin im folgenden bis zum Vertragsende den Zugang des Beklagten zu dem Kommunikationssystem der Klägerin gesperrt hat. Mit der Klage wird die Rückzahlung eines Provisionsvorschusses geltend gemacht. Widerklagend hat der Kläger einen Schadensersatz und eine Auskunftsklage zur Berechnung des Ausgleichsanspruches nach den Grundsätzen Leben erhoben. Das Erstgericht hat dem Auskunftsanspruch der Widerklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht München hat den Auskunftsanspruch mit Einschränkungen bestätigt. Das Urteil ist unter drei Gesichtspunkten für die Praxis von großer Bedeutung.

1. Auskunftsanspruch:

Während der Auskunftsanspruch des Handelsvertreters hinsichtlich der Provisionsabrechnungen gesetzlich in § 87 c HGB mit dem Anspruch auf Provisionsabrechnung, Buchauszug und Bucheinsicht geregelt und von der Rechtsprechung in zahlreichen Urteilen bestätigt wurde, war es fraglich ob es auch einen Auskunftsanspruch für den Handelsvertreterausgleich selbst gibt. Der Buchauszugsanspruch nach § 87 c Abs. 2 HGB soll ausschließlich für die Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit in den Provisionsabrechnungen dienen und soll nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung kein Auskunftsanspruch für den Handelsvertreterausgleichsanspruch sein. (OLG Düsseldorf 11.04.2003 HVR Nr. 1082).

Der Buchauszug ist darüber hinaus meistens auch gar nicht geeignet, die notwendigen Informationen für die Ausgleichsberechnung zu beschaffen. Der Buchauszug erteilt nur Informationen für den nicht verjährten Teilzeitraum des Vertrages. Die für die Ausgleichsberechnung nach den Grundsätzen zur Errechnung des Ausgleichsanspruchs notwendigen Informationspunkte sind im Buchauszug nicht enthalten.

Das Oberlandesgericht hat nunmehr einen eigenen Auskunftsanspruch für den Handelsvertreterausgleichsanspruch gem. § 242 BGB bestätigt. Zahlreichen Versicherungsagenten ist es nicht möglich, den Ausgleich nach den Grundsätzen „Leben“ selbst zu berechnen, da die Gesamtsumme aller dynamischen Lebensversicherungen während der gesamten Vertragslaufzeit zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung nicht bekannt ist. Die Versicherungsagenten sind in der Regel gehalten, Ihre vollständigen Unterlagen bei Vertragsbeendigung wieder zurückzugeben. Aus den Provisionsabrechnungen alleine sind Versicherungssummen in der Regel nicht enthalten, so dass die für die Ausgleichsberechnung benötigte Basiszahl dem Versicherungsagenten nicht zur Verfügung steht. Gerade dann, wenn die Versicherung den Ausgleichanspruch bereits dem Grunde nach verneint und somit keine Ausgleichsberechnung vornimmt, ist der Versicherungsagent darauf angewiesen, diese Auskunft von der Versicherung zu erhalten. Es ist deshalb zu begrüßen, dass nunmehr eine obergerichtliche Entscheidung vorliegt, die diesen für zahlreiche Versicherungsagenten erforderlichen Auskunftsanspruch bestätigt.

2. Der Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen „Leben“ erstreckt sich auch auf dynamische Rentenversicherungen:

Da im Wortlaut der Grundsätze „Leben“ ausschließlich von dynamischen Lebensversicherungen die Rede ist, wird bei der Ausgleichsberechnung immer wieder eingewandt, dass ausschließlich die reinen Lebensversicherungen und nicht die Rentenversicherungen für die Berechnung zugrunde zu legen sind. Das Oberlandesgericht hat hier zutreffend festgestellt, dass der Begriff „Lebensversicherung“ sich nicht ausschließlich auf die Todesfallversicherung beschränkt und die Rentenversicherung als reine Erlebensfallversicherung begrifflich zu den Lebensversicherungen gezählt werden muss. Dies gilt erst recht, da diese Versicherungen genauso kalkuliert und betrieben werden, wie Lebensversicherungen im engeren begrifflichen Sinne. Tatsächlich werden auch von vielen Versicherungsgesellschaften selbst die Rentenversicherungen ebenfalls unter der Rubrik „Lebensversicherungen“ in den Provisionsbestimmungen geführt und ähnlich verprovisioniert. Der Todesfallschutz selbst ist kein geeignetes Kriterium die Rentenversicherung von der Ausgleichsberechnung auszuschließen.

3. Der Ausgleich nach den Grundsätzen Leben wird nur für selbstvermittelte Lebensversicherungen gewährt:

Auch wenn der Versicherungsagent sich selbst im Strukturvertrieb einen Stamm von unechten Untervertretern aufgebaut hat die er akquiriert, geschult und betreut hat, so dass sie ihrerseits selbständige Verträge abgeschlossen haben, für die der Versicherungsagent eine Differenzprovision erhält, soll diese Differenzprovision für die Ausgleichsberechnung nach den Grundsätzen Leben unberücksichtigt bleiben, da die Ziff. I.1. der „Grundsätze Leben“ ausdrücklich davon ausgeht, dass die Versicherungen selbst vermittelt worden sind. Grundsätzlich gilt zwar, dass jede mitursächliche Tätigkeit für die Kundenwerbung nach allgemeinem Handelsvertreterrecht ausreichend ist, um den Kunden als „selbstgeworben“ im Sinn des Ausgleichsrechtes anzusehen. Dies gilt jedoch für den Versicherungsvertreter nach den Grundsätzen Leben deshalb nicht, da diese ausdrücklich nur die selbstvermittelten Verträge einschließen. Der Versicherungsvermittler erhält somit für die Differenzprovisionen nur dann einen Ausgleichsanspruch, wenn er am konkreten Versicherungsabschluss unmittelbar persönlich beteiligt war.

Erstritten von Rechtsanwalt Lutz Eggebrecht
Kanzlei Rechtsanwälte Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth & Kollegen, München