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„Betreuungsprovision“ ist tatsächlich Abschlussprovision (OGH 29. 4. 2019 2 Ob 30/19d)

„Betreuungsprovision“ ist tatsächlich Abschlussprovision (OGH 29. 4. 2019 2 Ob 30/19d)

In Handelsagentenverträgen finden sich bisweilen Aufteilungen der Provision für Abschluss, Unterstützung bei Montage, Verlängerungen, Wartungsverträge und eben auch für „Betreuung“. Streit entsteht dann, wenn der Geschäftsherr Kürzungen vornehmen will, da diese Betreuung nicht oder nicht mehr erfolgt sei. Dabei ist der grundsätzliche Charakter solcher „Betreuungsprovisionen“ zu hinterfragen.

Ein Handelsagent vermittelte Verträge über die Anmietung von Werbeflächen auf Einkaufswägen in Supermärkten und auf Warentrennstäben an den Kassen. Dies übte er von 2005 bis 2014 aus. Der Geschäftsherr hatte zunächst die ordentliche Kündigung ausgesprochen, in der Kündigungsfrist erklärte er dann die fristlose Beendigung.

Der Kläger machte nicht nur einen Ausgleichsanspruch, sondern auch ausständige Provisionen geltend. Der beklagte Geschäftsherr meinte, die Betreuungsprovision zu Recht einbehalten zu haben. Der Kläger hätte die Betreuung überhaupt erst 2013 im geschuldeten Umfang durchgeführt, dann aber mit den vereinbarten Berichten wieder aufgehört. Die Beklagte hätte also in der Vergangenheit zu viel an Provisionen bezahlt, da der Kläger seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei.

Was war vereinbart worden? Nach dem Handelsvertretervertrag war der Agent „verpflichtet, seine Kunden regelmäßig, jedoch mindestens zweimal pro Werbejahr zu besuchen. Auf schriftliche Anweisung muss er hierüber Bericht erstatten“. Und weiter: „Der Handelsvertreter erstellt schriftliche Berichte über seine Kundenbesuche“. In den „Handelsvertreterkonditionen“ war neben einer Grundprovision von 10% eine „Kundenbetreuungsprovision“ von ebenso 10% genannt.

Das Gericht hat festgestellt, dass die Beklagte (erst) im Jahr 2013 Kundenbesuchsberichte erstellt hat. Der Geschäftsführer hat mitgeteilt, dass diese ab sofort zu verwenden sind. Der Kläger hat diese bis Dezember 2013 abgegeben, danach nicht mehr, da er darin keine Sinnhaftigkeit sah. Dies hat er mit dem Geschäftsherrn nicht abgesprochen.

Handelsagenten, die Kunden ausgeschiedener Kollegen übernahmen, erhielten keine Betreuungsprovision, auch wenn sie die Kunden besuchten und Besuchsberichte ausfüllten.

Das Erstgericht hat die Tätigkeit der Handelsagenten in der Herbeiführung von Abschlüssen und Verlängerungen von Verträgen gesehen. Davon unabhängige, also „eigenständige“ Betreuungsleistungen konnte das Gericht nicht erblicken. Damit konnte die „Kundenbetreuungsprovision“ nicht solche Tätigkeiten, sondern „nur“ den Abschluss abgelten. Tatsächlich handelte es sich also um eine Provision für den Abschluss bzw. die Verlängerung von Verträgen. Insofern konnte dem Kläger auch keine mangelhafte Betreuung vorgeworfen werden, die sich provisionsmindernd ausgewirkt hätte.

Das Berufungsgericht hat dies bestätigt und „nachgelegt“: Die Zeugen und der Geschäftsführer hätten doch gar nicht im Detail darlegen können, welche konkreten Leistungen als Kundenbetreuung zu erbringen gewesen wären. Der Inhalt der von ihnen genannten „Markt- und Kundenanalyse“ blieb offen. Und dass die Kunden zu befragen waren, ob sie den Supermarkt oder das Sujet wechseln wollen und das allgemeine „feedback“ erscheinen nicht gewichtig genug, um (alleine) dafür tatsächlich einen Provisionsteil von weiteren 10% (also in derselben Höhe wie die Abschlussprovision) als angemessen erscheinen zu lassen.

Im Handelsvertretervertrag wurde auch gar nicht definiert, welche Betreuungsleistungen zu erbringen wären. Das Erstgericht hätte den Vertrag zu Recht als in dieser Hinsicht „zu wenig gehaltvoll“ angesehen. Ob der Handelsagent also die Besuchsberichte ausgefüllt hat oder nicht, war damit gar nicht mehr relevant.

Im Ergebnis war entscheidend, dass der Handelsagentenvertrag keine Verknüpfung zwischen Provisionsanspruch und Betreuung vorsah und die Betreuung auch nicht näher definierte. Dass zweimalige Besuche pro Jahr festgelegt waren, wurde – nachdem die Kundenbetreuung inhaltlich nicht definiert war – letztlich als eine „Empfehlung“ angesehen. Als eigenständige Betreuungsleistung verbliebe nur das Ausfüllen der Formulare und das alleine konnte den Charakter als (echte) Betreuungsprovision nicht tragen. Eine eigenständige Betreuungsleistung wäre etwa – wie bei Versicherungsagenten – die Betreuung im Schadensfall.

Der Oberste Gerichtshof hat dies bestätigt.

Insgesamt überrascht die Entscheidung in ihrer Konsequenz und ist damit umso erfreulicher für den Berufsstand der Handelsagenten. Sie zeigt, dass Vertragsbestimmungen weder apodiktisch noch stets so zu verstehen sind, wie der Geschäftsherr es gerne hätte, sondern dass diese hinterfragt und auch vor dem Hintergrund der praktischen Durchführung „abgeklopft“ werden.

Ihr Ansprechpartner: Dr. Gustav Breiter