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Aktuelle Entscheidung in Österreich: Ausgleichsanspruch eines Vertrags­händlers (OGH 1 Ob 10/09s vom 5. 5. 2009)

Aktuelle Entscheidung in Österreich: Ausgleichsanspruch eines Vertrags­händlers (OGH 1 Ob 10/09s vom 5. 5. 2009)

Ein deutscher Vertragshändler für Bäckereimaschinen, vertreten durch unsere Kanzlei, begehrte einen Ausgleichsanspruch von seinem österreichischen Produzenten. Der Produzent hatte den Vertrag nach 31 Jahren aufgelöst. Da alle Kundendaten bei Bestellung der Bäckereimaschinen dem Produzenten überlassen wurden, konnten die Kundendaten nach Auflösung des Vertrages sofort weiterverwendet werden. Einige dieser Kunden waren seit mehreren Jahren in Geschäftsbeziehung mit dem klagenden Vertragshändler, sie kauften bei ihm nach einigen Jahren erneut Bäckereimaschinen. Der Kläger bot auch einen Kundendienst an.

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH ist der Vertragshändler berechtigt, einen Aus­gleichs­an­spruch in Analogie zu § 24 HVertrG zu begehren, wenn er in die Absatzorganisation seines Produzenten ähnlich einem Han­dels­ver­tre­ter eingebunden war. Die dafür maßgebenden Kriterien sind ein Wettbewerbsverbot, die Verpflichtung zur Absatzförderung und Warenabnahme, eine Be­richt­er­stat­tungs­pflicht, ein Weisungsrecht des Produzenten, eine entsprechende Verkaufs- und Kun­den­dienst­or­ga­ni­sa­tion, ein an­ge­mes­se­nes Lager, ein Zutrittsrecht des Lieferanten zu den Ge­schäftsräumlichkeiten und ein Einsichtsrecht in die Bücher des Vertragshändlers, die Einflussnahme des Lieferanten auf die Preisgestaltung, die Beteiligung des Händlers an der Einführung neuer Modelle und die Überlassung des Kunden­stamms.

Im gegenständlichen Fall erfüllte der Ver­trags­hän­dler mehrere der genannten Kri­terien. Dennoch wies das Erstgericht die Klage auf Ausgleich dem Grunde nach ab, da

  • der Vertragshändler im Ge­schäfts­ver­kehr unter einem Dop­pel­na­men aufgetreten ist (Name des Produzenten und sein eigener Name),
  • keine Verpflichtung des Ver­trags­händ­lers zur Wa­ren­ab­nah­me be­stan­den hat,
  • der Vertragshändler neben seiner Tä­tig­keit für den Produzenten eigene Maschinen und (nicht-kon­kur­ren­zie­ren­de) Produkte anderer Hersteller verkauft hat,
  • der Produzent dem Vertragshändler keine Weisungen erteilt hat (mit Aus­nahme einer Weisung im Zuge einer Messe im Jahr 2006).

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und begrün­dete dies damit, dass der Vertragshändler in die Absatzorganisation des Produ­zenten „nicht vollständig“ integriert gewesen und einem Handelsvertreter nicht ähnlich gewesen sei. Der OGH erklärte die außerordentliche Revision für zulässig, hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und entschied, dass dem Grunde nach ein Ausgleich zusteht. Er begründete dies wie folgt:

  • Die maßgebenden Kriterien für einen Ausgleichsanspruch eines Vertrags­händlers sind jedenfalls erfüllt: Wettbewerbsverbot, Ersatzteillager, Ver­kaufs- und Kun­den­dienst­or­ga­ni­sa­tion, tatsächliche Überlassung des Kun­denstamms, Beteiligung an der Einführung neuer Modelle, jederzeitiger Zutritt zu den Geschäftsräumlichkeiten des Vertragshändlers.
  • Die Tatsache, dass der Vertragshändler auch seinen eigenen Namen bei Messen und ähnlichem verwendete, führt nicht zu einem Verlust des Aus­gleichs­an­spruchs. Der Ver­trags­händ­ler hat den Namen des Produzen­ten außerdem an erster Stelle verwendet.
  • Eine Verpflichtung zur Warenabnahme ist nicht unbedingt notwendig. Ei­nerseits führt das Fehlen einzelner Elemente nicht (zwingend) dazu, einen Ausgleichsanspruch zu verneinen. Andererseits hatte der Vertragshändler ohnehin die Pflicht zur Absatzförderung.
  • Die Tatsache, dass der Vertragshändler fallweise eigene oder Produkte anderer Unternehmen verkaufte, widerspricht nicht dem Wettbewerbsverbot, da der Kläger ohnehin immer vorab die Genehmigung des Lieferanten eingeholt hatte. Dabei ist irrelevant, ob ein Wettbewerbsverbot iSd Art 5 vGVO wirksam ist. Denn auch an der Konkurrenzklausel zeigt sich jedenfalls die Absicht der Vertragsparteien, den Vertragshändler in die Absatz- und Vertriebsorganisation des Produzenten einzugliedern.
  • Weitere Aspekte zugunsten eines Ausgleichsanspruchs des Vertrags­händlers waren: er war zum Alleinvertrieb in Deutschland berechtigt, er hatte die Pflicht zur Berichterstattung über die Marktentwicklung, er war zur Teilnahme an Messen verpflichtet, der Lieferant hatte das Recht, die Umsetzung des Verkaufsplans zu kontrollieren und der Händler musste Verträge mit Subunternehmern vorweg vom Produzenten genehmigen lassen.
  • Es ist irrelevant, ob und in welchem Ausmaß der Produzent sein Weisungsrecht ausübt. Maßgebend ist, dass er dazu nach dem Vertrag berechtigt war.

Mitgeteilt von Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien.