1. Handelsvertreter
Gemäß Artikel 25 des spanischen Handelsvertretervertragsgesetzes (im Folgenden LCA) kann ein unbefristet abgeschlossenes Vertragsverhältnis nur mit der entsprechenden Kündigungsfrist oder aus wichtigem Grund fristlos beendet werden. Ein befristeter Handelsvertretervertrag kann nur außerordentlich gekündigt werden.
Artikel 26 LCA in der Fassung der 29. Schlussbestimmung des Insolvenzgesetzes vom 9. Juli 2003 (Ley 22/2003) sieht hierzu eine Ausnahmeregel vor.
Danach kann das Vertragsverhältnis von jeder Partei eines Handelsvertretervertrages unabhängig davon, ob dieser befristet oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden, wenn über das Vermögen der anderen Vertragspartei die Insolvenz erklärt wurde.
Beendet der Handelsvertreter somit das Vertragsverhältnis wegen der Insolvenz des Unternehmers, so verliert er nicht seinen Anspruch auf Ausgleich des Kundenstamms gemäß Artikel 30 b) LCA. Gleiches gilt für den ihm ggfs. zustehenden Schadensersatzanspruch.
Voraussetzung ist, dass über das Vermögen des Unternehmers gemäß Artikel 21 des spanischen Insolvenzgesetzes (im Folgenden LC) mittels Beschluss durch das zuständige Handelsgericht förmlich die Insolvenz erklärt wurde.
Mit der Insolvenzerklärung setzt ein Aufrechnungsverbot ein, der Lauf von Verzugszinsen wird ausgesetzt und Verjährungsfristen unterbrochen. Eingeleitete Erkenntnisverfahren können bis zu ihrem rechtskräftigen Abschluss weitergeführt werden und betriebene Vollstreckungsverfahren sind in das Insolvenzverfahren überzuführen.
Das spanische Insolvenzgesetz sieht in Artikel 61.2 ausdrücklich vor, dass die Insolvenzeröffnung auf die Wirksamkeit von bestehenden gegenseitigen Verträgen und Dauerschuldverhältnissen, die noch nicht vollständig erfüllt sind, keinen Einfluss hat. Gemäß Artikel 61.3 LC sind solche Vertragsklauseln, die es einer Vertragspartei erlauben, ausschließlich aufgrund der Insolvenzeröffnung ein Vertragsverhältnis zu kündigen, nichtig. Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn es die gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich so vorsehen. Eine solche Ausnahmevorschrift stellt somit der oben genannte Artikel 26 LCA dar.
Hieraus folgt, dass der Handelsvertreter nach Kenntnisnahme von der Insolvenz des Unternehmers, schriftlich das Vertragsverhältnis fristlos kündigen und die ihm zustehenden Ausgleichsansprüche geltend machen kann. Allerdings hat die Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn das Unternehmen fortgeführt wird, d.h. ein entsprechender Insolvenzvergleich zustande kommt oder im Falle der Liquidation der Kundenstamm durch die Insolvenzverwaltung an einen Dritten veräußert wird, so dass sich ein Unternehmervorteil realisieren kann, der bekanntermaßen Voraussetzung für das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs ist.
Dies lässt sich i.d.R. allerdings bei Kenntnisnahme von der Insolvenzeröffnung noch nicht absehen. Ein erster Hinweis kann sich in der Praxis aus dem von der Insolvenzverwaltung bei Beginn des Insolvenzverfahrens zu erstellenden Berichts ergeben, der neben den Insolvenzgründen, die wirtschaftliche und rechtliche Geschichte des Insolvenzschuldners darstellt sowie eine Gläubigerliste und ein Vermögensinventar enthält. Auf Letzteres ist ein besonderes Augenmerk zu richten, da dort der Kundenstamm eventuell aufscheint und bewertet wird.
Von der Insolvenzeröffnung erhält der Handelsvertreter in der Praxis entweder vom Unternehmer selbst oder seitens der vom Handelsgericht bestellten Insolvenzverwaltung Kenntnis. Diese schreibt den Handelsvertreter an, wenn sich die Geschäftsbeziehung aus den Büchern des Insolvenzschuldners ergibt und fordert ihn auf, seine Forderungen anzumelden.
Die Forderungsanmeldung hat gemäß Artikel 84 LC gegenüber der Insolvenzverwaltung schriftlich durch den Handelsvertreter oder einen von ihm wirksam bevollmächtigten Vertreter zu erfolgen. In der Forderungsanmeldung sind die Höhe, die Art, der Grund und die Fälligkeit der dem Handelsvertreter zustehenden Forderungen sowie die gewünschte Einstufung anzugeben. Die am 1. Januar 2012 in Kraft tretende Reform des Insolvenzgesetzes sieht nun ausdrücklich die Möglichkeit einer Forderungsanmeldung auf elektronischem Wege vor. Der Forderungsanmeldung sind, die den Anspruch begründenden Urkunden in Kopie beizufügen. Im Falle des Handelsvertreters handelt es sich hierbei insbesondere um den mit dem Insolvenzschuldner geschlossenen Handelsvertretervertrag sowie Rechnungskopien und ggfs. das Kündigungsschreiben.
Wichtig und bei grenzüberschreitenden Vertriebsverhältnissen sehr problematisch ist die kurze Forderungsanmeldefrist, die 1 Monat bzw. im Falle eines verkürzten Insolvenzverfahrens nur 15 Tage seit der letzten Veröffentlichung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses beträgt. Wird diese Frist nicht eingehalten, droht eine Herabstufung und Aufnahme der Forderung in die Gläubigerliste als nachrangige Insolvenzforderung bzw. deren vollständiger Verlust.
Anzumerken ist hier allerdings, dass es sich im vorliegenden Fall bei dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gemäß Artikel 84.2.6 LC um eine Masseverbindlichkeit also keine Insolvenzforderung handelt, da der Anspruch erst nach Insolvenzeröffnung mittels entsprechender Kündigung des Handelsvertretervertrages aufgrund Artikel 26 LCA entsteht. Dies bedeutet, dass der Ausgleichsanspruch jederzeit innerhalb der Verjährungsfrist von einem Jahr (Artikel 31 LCA) geltend gemacht werden kann und bei Bestehen zu Lasten der Masse vor den Insolvenzforderungen zu befriedigen ist.
Etwas anderes gilt für die bei Insolvenzeröffnung ausstehenden Provisionszahlungen, die vor Insolvenzeröffnung entstanden sind. Bei diesen handelt es sich nicht um Masseverbindlichkeiten, sondern um Insolvenzforderungen. Allerdings sind die im Zeitraum von 6 Monaten vor Insolvenzeröffnung entstandenen Provisionsansprüche gemäß Artikel 91.3 LC allgemein bevorrechtigt. Bei den vor diesem Zeitraum entstandenen Provisionsansprüchen handelt es sich um ordentliche Insolvenzforderungen.
Masseverbindlichkeiten können zu jedem Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens bei Fälligkeit erfüllt werden. Im Falle der Liquidation des Unternehmers werden die bevorrechtigten Insolvenzforderungen, vor den ordentlichen Insolvenzforderungen befriedigt. Am Schluss kommt es zur Befriedigung der nachrangigen Insolvenzforderungen; z.B. Zinsforderungen oder zu spät angemeldete Insolvenzforderungen.
Es ist denkbar, dass während des Liquidationsverfahrens eines Unternehmers durch die Insolvenzverwaltung ein neuer Handelsvertretervertrag zwecks Vertriebs der vorhandenen Lagerbestände eingegangen wird. Es würde sich insoweit um ein bis zum Abschluss der Liquidationsphase und damit des Insolvenzverfahrens befristetes Vertragsverhältnis handeln. Bei den anfallenden Provionsansprüchen würde es sich wiederum um Masseforderungen handeln, wobei ein Ausgleichanspruch mangels Unternehmervorteil nicht beansprucht werden kann.
2. Vertragshändler
Eine letzte Anmerkung noch hinsichtlich der Rechtslage des Vertragshändlers. Da es sich bei Artikel 26 des spanischen Handelsvertretergesetzes um eine Regelung mit Ausnahmecharakter handelt, kommt eine analoge Anwendung auf den Vertragshändler nicht in Betracht. Dies bedeutet, dass mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung des Vertragshändlers dieser allein auf der Grundlage einer Insolvenz des Prinzipals nicht zur Vertragskündigung berechtigt ist. Unabhängig davon, dass der Unternehmer bzw. die Insolvenzverwaltung berechtigt sind, dass Vertragsverhältnis zu beenden, kann der Vertragshändler erst dann die Kündigung fristlos erklären und einen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn es infolge der Insolvenz nach den allgemeinen Regeln zu einer Verletzung wesentlicher vertraglicher Verpflichtungen gekommen ist. Selbst in diesem Fall, kann das Gericht gemäß Artikel 62.3 LC im Interesse der Insolvenzmasse die Fortführung des Vertragshändlervertrages anordnen, wobei die dem Vertragshändler dann zustehenden Ansprüche Masseforderungen darstellen.
In diesem Zusammenhang sei noch auf den Mitte des Jahres von der damaligen Regierung vorgelegten Entwurf für ein Vertragshändlergesetz hingewiesen. Auch dieser zwischenzeitlich im Gesetzgebungsverfahren abgelaufene Entwurf sah keine Artikel 26 LCA vergleichbare Regelung vor.
Michael Fries
Monereo Meyer Marinel-lo Abogados
Madrid, den 15. November 2011