Urteil Landgericht Tübingen (21 O 76/06) vom 07.11.2008
Bei der Entscheidung ging es im Wesentlichen um die Frage, binnen welcher Frist ein Versicherungsunternehmen eine außerordentliche und fristlose Kündigung nach §89a HGB aussprechen kann.
Hierbei war die Dauer zu beurteilen, ob bei der Fristberechnung, die betrieblichen Umstände, wie die Einschaltung einer Revisionsabteilung, die Ermittlung der Revisionsabteilung, die Vorlage des Revisionsberichts, bei der Berechnung der Frist Berücksichtigung finden können.
Nach zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung (vgl. BGH, NJW 94,722 und BGH, NJW RR 1999,1481 ff) muss eine außerordentliche und fristlose Kündigung binnen einer Frist von einem Monat maximal zwei Monaten ab Kenntnis der wesentlichen Umstände, die zum Ausspruch der außerordentlichen und fristlosen Kündigung berechtigen, dem Kündigungsempfänger zugegangen sein. Die Frist ist jeweils am konkreten Fall und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu bemessen. Sie kann keinesfalls länger sein als zwei Monate. Entsprechend hat das Landgericht Tübingen festgestellt, dass die Frist nicht erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte sichere Erkenntnis von dem Sachverhalt hat, der nach seiner Bewertung einen wichtigen Grund darstellt und ihm die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ende der regulären Kündigung unzumutbar macht, sondern bereits dann, wenn konkrete Hinweise auf das vertragwidrige Verhalten, zum Beispiel von Mitarbeitern des Handelsvertreters/Versicherungsagentur, mitgeteilt wurden. Beiläufig geäußerte Gerüchte sind nicht ausreichend.
In dem zu entscheidenden Fall hatte das Versicherungsunternehmen unmittelbar nach Aufnahme der Ermittlungen durch die interne Revisionsabteilung und der im Rahmen dieser Ermittlungen durchgeführten Vernehmungen/Gesprächen mit Mitarbeitern der Versicherungsagentur Kenntnis von den maßgeblichen Gründen erhalten, die letztlich der außerordentliche und fristlosen Kündigung zu Grunde gelegt wurden.
Trotzdem war das beklagte Versicherungsunternehmen der Auffassung, dass die Frist erst dann zu laufen beginnen kann, wenn der abschließende Bericht der Revisionsabteilung vorliegt. Der abschließende Bericht lag aber erst ca. drei Monate nach diesem Zeitpunkt vor. Ausdrücklich hat das Gericht in seiner Entscheidung ausgeführt, dass zu berücksichtigen war, dass nach dem Bericht der Revisionsabteilung die bereits früher durchgeführten Befragungen der Mitarbeiter die wesentliche tatsächliche Grundlage für Empfehlung der Kündigung bilden.
Der Umstand, dass im Zeitpunkt der Anhörung des Klägers und seiner Mitarbeiter der (abschließende) Bericht der Revisionsabteilung noch nicht vorlag, vermag hieran nichts zu ändern. Derartige Ressourcen eines Großbetriebes wie der der Beklagten – die z. B. im Interesse der Gleichbehandlung der Vertreter sinnvoll sind – können an der Einhaltung der für Vertragspartner von Handelsvertretern geltenden Vorschriften nichts ändern und insbesondere nicht dazu führen, dass für immobilere Großkonzerne besondere Regeln anzuwenden wären. Auch die Vertragspartner solcher Großunternehmen sind hinsichtlich der zu ihrem Schutz bestehenden Fristen gleich zu behandeln mit Vertretern z. B. eines Einzelkaufmanns.
Unabhängig von der Größe und der Organisation des Unternehmens bleibt es bei der bekannten Rechtsprechung. Die außerordentliche und fristlose Kündigung ist binnen eines (maximal zwei) Monaten ab Kenntnis der Umstände die zur Kündigung berechtigen auszusprechen.
Anmerkung:
Das beklagte Versicherungsunternehmen (Allianz) hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem OLG Stuttgart, in welcher der Senat unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass er der Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts folgen wird, wurde eine vergleichsweise Regelung getroffen.
Mitgeteilt von Thomas Baumann, Kanzlei Gaertner Stuebel Baumann, Stuttgart.