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RA Bernd Schleicher

RECHTSPRECHUNG Deutschland Urteil VII ZR 282/12 des Bundesgerichtshofes vom 08. Mai 2014

Ausgleichschätzung nach den “Grundsätzen” und Altersvorsorge

Von Rechtsanwalt Bernhard Schleicher, Rechtsanwälte Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth und Kollegen, München.

Der Bundesgerichtshof hat ein weiteres Urteil zur Anwendung der “Grundsätzen der Versicherungswirtschaft” sowie zur Anrechnung einer unternehmerfinanzierten Altersversorgung gesprochen (Urteil vom 08.05.2014, VII ZR 282/12).

Der Fall

Geklagt hatte eine Versicherungs- und Bausparkassenvertreter, der im Rahmen eines Strukturvertriebs tätig war. Sein Prinzipal war nicht Vertragspartner der vermittelten Verträge, sondern arbeitete wieder mit Kooperationsunternehmen zusammen, an die die Verträge letztlich vermittelt wurden. Während die “Grundsätzen der Versicherungswirtschaft zur Berechnung des Ausgleichsanspruches” in der Regel in allen Agenturverträgen zwischen dem Vertreter und dem Versicherer bzw. dem Bausparunternehmen vereinbart sind, ist dies im Strukturvertrieb häufig nicht der Fall. So auch hier. Um den Ausgleichsanspruch zu berechnen, griff der Stellvertreter dennoch auf die Grundsätze zurück und zog sie als Schätzgrundlage heran. Das beklagte Unternehmen wandte im Prozess aber ein, dann müsse auch eine von ihm finanzierte Altersversorgung vom Ausgleichsanspruch abgezogen werden, was der Kläger mit dem Hinweis, die Altersvorsorgebeträge sollten wirtschaftlich nur ihm zustehen, nicht gelten lassen wollte.

“Grundsätze” als Schätzgrundlage

Zunächst stellt der BGH unter Hinweis auf das Urteil vom 23.11.2011, VIII ZR 203/10, klar, dass im Versicherungs- und Bausparvermittlungsbereich die “Grundsätze” als Geschäftsgrundlage für die Berechnung des Ausgleichsanspruches herangezogen werden können, wenn diese vertraglich nicht vereinbart sind. Die Bestätigung dieser Rechtsprechung stärkt den Vertreter, der andernfalls bezüglich einer Berechnung des Ausgleichsanspruches außerhalb der Grundsätze vor große Schwierigkeiten gestellt würde, die darin bestehen, dass er nicht mehr über die notwendigen Informationen verfügt, die für eine Berechnung notwendig wären. Denn der Online – Zugang zu den Agenturinformationssystemen hin wird mit Vertragsbeendigung abgeschaltet und der Vertreters ist verpflichtet, sämtliche Geschäftsunterlagen bei Vertragsende an den Vertragspartner herauszugeben.

Anrechnung der Altersvorsorge

Allerdings, so der BGH, muss der Vertreter dann eine vom Unternehmer finanzierte Altersversorgung als Ausgleichsminderung akzeptieren. Der Vertreter war der Ansicht, es sei in seinem speziellen Fall vereinbart gewesen, dass die Altersversorgung wirtschaftlich ausschließlich dem Vertreter zugute kommen soll und diese letztlich Entgeltcharakter habe. Da nach ständiger Rechtsprechung im Einzelfall geprüft werden müsse, ob eine Anrechnung der Altersvorsorge der Billigkeit entspricht, würde dies in seinem Fall dazu führen, dass keine oder jedenfalls keine volle Anrechnung der Altersvorsorge gerechtfertigt sei .

Für eine individuelle Betrachtung sieht der BGH aber keinen Raum und dies mit interessanter Begründung. Da die Grundsätze nicht während der Vertragslaufzeit vereinbart worden sind , sondern erst nach Vertragsende als Schätzgrundlage herangezogen wurden , ist der Fall so zu behandeln, wie wenn die Vertragspartner eine Berechnung nach den “Grundsätzen” nach Vertragsende vereinbart hätten. Nach Vertragsende allerdings gilt der Schutz des § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB, nach dem der Vertreter nicht wirksam auf seinen Ausgleichsanspruch teilweise oder ganz verzichten kann, nicht mehr. Nach Vertragsende ist also auch ein kompletter Verzicht des Vertreters auf den Ausgleichsanspruch möglich und wirksam. Die Billigkeitsprüfung im Einzelfall sei aber gerade Folge dieses in § 81b Abs. 4 Satz 1 HGB festgeschriebenen besonderen Schutzes des Ausgleichsanspruch des Vertreters während der Vertragslaufzeit. Für diesen Schutzgedanken ist hier kein Raum, da die Grundsätze ja erst nachvertraglich ins Spiel gebracht wurden.

Fazit

Diese Argumentation des Bundesgerichtshofes des gut nachvollziehbar und bedeutet im Umkehrschluss, dass bei einer Vereinbarung der „Grundsätze” im Vertretervertrag eine Billigkeitsprüfung im Einzelfall durchzuführen ist. Vor allem dieser Aspekt des Urteils hat Bedeutung, da die Gerichte trotz der Verpflichtung zur Billigkeitprüfung im Einzelfall gerne stets und schematisch einen Abzug der unternehmensfinanzierten Altersvorsorge vom Ausgleichsanspruch vornehmen und eine Befassung mit der speziellen vertraglichen Ausgestaltung der Altersvorsorge, deren Werthaltigkeit und den besonderen Umständen in der Person des Vertreters leider nicht oder nicht hinreichend erfolgt.

24.09.2014

Mitgeteilt von RA Bernd Schleicher, Kanzlei Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth und Kollegen, München.