RECHTSPRECHUNG Deutschland Urteile 5 U 1849/11 und 5 U 1784/11 des Oberlandesgerichts Nürnberg aus Februar 2012
1.2 Aktuelle Entscheidungen des Oberlandesgerichts Nürnberg
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in zwei Parallelverfahren (Aktenzeichen 5 U 1849/11 und 5 U 1784/11) die von der Versicherung eingelegten Berufungen einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und damit die den Vertretern stattgebenden Urteile des Landgerichts Nürnberg vollumfänglich bestätigt.
- Worum ging es?
Die Vertreter waren zunächst ordentlich gekündigt und von ihrer weiteren Tätigkeit freigestellt worden. Nachdem sie ihre beträchtlichen Freistellungsansprüche beziffert und geltend gemacht hatten, wurde ihnen durch die Versicherung fristlos gekündigt. In dem einen Fall deswegen, weil die Vertreterin einen eigenen Mietvertrag über die ihr zugewiesene Beratungsstelle mit dem Vermieter abgeschlossen hatte, nachdem ein befristeter Hauptmietvertrag zwischen der Versicherung abgelaufen und die Versicherung es versäumt hatte, eine Verlängerungsoption auszuüben. Die Versicherung sah in dem direkten Vertragsschluss einen schwer wiegenden Vertrauensbruch, da der Vertreterin bewusst war, dass die Versicherung grundsätzlich als Zwischenmieterin auftritt und die Geschäftsstellen mit sogenannten Beratungsstellenvereinbarungen an die Vertreter untervermietet; sie führt zudem aus, die Vertreterin hätte die Versicherung darauf hinweisen müssen, dass diese vergessen hat, das Optionsrecht auszuüben.
In dem anderen Fall war dem Vertreter fristlos gekündigt worden, weil er für die Beschäftigung einer Auszubildenden eine Zusatzprovision erhalten hatte, von der Versicherung allerdings behauptet wurde, die Auszubildende habe von dem Vertreter keine Zahlungen erhalten. Zum anderen wurde ihm zum Vorwurf gemacht, dass er mit der Auszubildenden einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hatte, wofür er Provisionen erhielt.
Beide Vertreter begehrten die Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Versicherungs-Kündigungen, weitere Freistellungsvergütungen, die nach Ausspruch der fristlosen Kündigungen entstanden waren sowie die Rückzahlung von seit dem Jahr 2008 von der Versicherung einbehaltenen Nutzungsgebühren für die überlassene Hard- und Software.
Das Landgericht Nürnberg gab in beiden Verfahren den Klägern vollumfänglich Recht. Dieses Urteil wurde nun durch die beiden Beschlüsse des Oberlandesgerichts Nürnberg vollauf bestätigt.
- Keine fristlosen Kündigungsgründe
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass sich die Versicherung selbst nicht über den Bestand ihrer Mietverträge im Klaren war. Das Gericht sieht es als geradezu ein Entgegenkommen der Klägerin an, den Mietvertrag auf ihren Namen ausfertigen zu lassen, da ansonsten ja möglicherweise eine Vermietung an eine dritte außenstehende Person erfolgt wäre und dann gerade die Investitionen in der Beratungsstelle verloren gewesen wären.
Auch in der Parallelangelegenheit gab es keinen fristlosen Kündigungsgrund. Zum einen lag dies bereits daran, dass es gem. der entsprechenden Vereinbarung über die Gewährung von Zusatzprovisionen für die Beschäftigung von Auszubildenden gar nicht darauf ankam, ob der Auszubildende von den Vertreter oder von der Versicherung selbst bezahlt wird. Es geht eben nicht um die Frage, wer die ohnehin geringfügige Ausbildungsvergütung zu bezahlen hat, sondern darum, wer den erheblichen Zeitaufwand für die Ausbildung übernimmt. Tut dies der Vertreter gerade im Interesse der Schaffung von Nachwuchs für die Versicherung, so erhält er hierfür die Zusatzvergütung. Es spielt also überhaupt keine Rolle, ob nun Geld zwischen dem Vertreter und der Auszubildenden geflossen ist oder nicht.
Auch der weitere Vorwurf verfing nicht. Das Erstgericht führte hierzu aus, dass es allgemein bekannt ist, dass ein Versicherungsvertreter auch zu Provisionszwecken Versicherungen mit seinem Bekannten- oder Verwandtenkreis abschließt. Vermittelt er eine Versicherung an eine Auszubildende, so ist dies in keinster Weise anstößig. Weiterer Sachverhalt, der eine anderweitige Beurteilung erlauben würde, wurde von der Versicherung nicht geliefert.
- Unwirksamkeit der Hard- und Softwarenutzungsgebühren
Beide Vertreter hatten das sogenannte “…- Rund um Paket” gewählt, wofür ihnen monatlich zwischen 170 und 236 € einbehalten wurden. Die Vertreter beriefen sich auf die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2011, VIII ZR 10/10 und VIII ZR 11/10, Abruf Nr. 111570 und Abruf Nr. 111571) und verlangten diese Beträge für den unverjährten Zeitraum, in diesen Fällen ab 01.01.2007 zurück. Grund war, dass die vertraglichen Regelungen bezüglich des sogenannten “Rund um Paketes” keine hinreichende Unterscheidung in Hard- und Softwarekomponenten macht. Das Oberlandesgericht hat sich auch erst in der Berufungsinstanz und damit mit verspätet vorgelegten Unterlagen der Versicherung auseinander gesetzt und angemerkt, dass auch eine Berücksichtigung dieser Unterlagen zu keiner anderen Wertung geführt hätte. Denn in keinen der vorgelegten Vertragsunterlagen wird klar beziffert, für welche Hard- und Softwarekomponenten monatlich welche Gebühren anfallen, sodass nur der Schluss möglich ist, dass es sich um eine Gesamtkalkulation handelt, in der eben auch gemäß § 86 a Abs. 1 HGB von der Versicherung kostenlos zu stellende Software enthalten ist. Wird eine solche nachvollziehbare Unterscheidung in vertriebsnotwendige kostenlos zur Verfügung zu stellende Software und kostenpflichtig Hard- und Softwarekomponenten aber nicht getroffen, so geht dies zu Lasten der Versicherung und die Vertreter haben einen Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) hinsichtlich der gesamten einbehaltenen pauschalen Gebühren. Die Benennung des Modells drückt letztlich das aus was es ist, nämlich ein Paket aus unterschiedlichen Leistungskomponenten zu einem Gesamtpreis, indem somit auch die vertriebsnotwendigen und damit unentgeltlich zur Verfügung zu stellenden Softwarekomponenten mit beinhaltet sind.
Praxishinweise: Es gibt unterschiedliche Vertragsausgestaltungen hinsichtlich der Hard- und Softwareüberlassung, sodass in jedem Fall geprüft werden muss, ob auch die für sie geltende Vereinbarung über der Erhebung eines Nutzungsentgeltes unwirksam ist. In dem vorliegenden Fall gibt es z.B. auch die Variante, dass der Vertreter eigene Hardware nutzt, die Software und Dienstleistungen aber über die Versicherung bezieht und dafür einen geringen Betrag als Beteiligung für die private Nutzung abführt. Diese Variante, die aber wohl nur von einer kleinen Minderheit der Vertreter dieser Versicherung gewählt wurde, dürfte wirksam sein. Die weitaus höheren einbehaltenen Beträge für den Großteil der Versicherungsvertreter erfolgte nach diesen Urteilen aber ungerechtfertigt und können vom Vertreter herausverlangt werden.