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Die Verpflichtung des Unternehmers die “Unterlagen” zur Verfügung zu stellen

Die Richtlinie 86/653/EWG enthält in Art. 4 Abs. 2 lit. a die Verpflichtung des Unternehmers, dem Handelsvertreter “die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die sich auf die betreffenden Waren beziehen”.

§ 86a Abs. 1 HGB bestimmt insoweit folgendes:

“Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen.”

In den übrigen europäischen Ländern gibt es ähnliche Bestimmungen (zum Beispiel: DK § 5 Abs. 2 Gesetz 272, Frankreich Art. 2 Abs. 1 Décret Nr. 92-506, Großbritannien Art. 4 Abs. 2 Verordnung Nr. 3053, Italien Art, 1749 Abs. 1 S. 2 Codice Civile, Niederlande Art. 430 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch, Österreich § 6 Abs. 2 Nr. 1 Handelsvertretergesetz, Polen 760 § 1 Zivilgesetzbuch, Spanien Art. 10 Abs. 2 lit. a Gesetz über Handelsvertreterverträge).

Unterscheiden tun sie sich die Bestimmungen weitgehend eigentlich nur insoweit, als sie zumeist die Beispielsaufzählung des deutschen HGB nicht enthalten (Ausnahme Spanien) und den Bezug zur Handelsvertretertätigkeit unterschiedlich, d.h. entweder über die Produkte oder die Tätigkeit an sich herstellen. Die Niederlande grenzen die Bestimmung allerdings dadurch ein, dass sie von “Dokumentationsmaterial” sprechen, dass der Handelsvertreter für die zu vermittelnden Waren und Dienste benötigt. Ähnlich ist es in Spanien.

Das “Zurverfügungstellen” im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung so zu interpretieren, dass die “Unterlagen” dem Handelsvertreter vom Unternehmer unentgeltlich, also kostenfrei überlassen werden müssen (BGH vom 17.11.2016, Az. VII ZR 6/16, ZVertriebsR 2017, S. 40 ff., Tz. 20 m.w.Nw., siehe Anlage).

Zudem ist die Regelung der Richtlinie entsprechend (Art. 5) zwingend (§86a Abs. 3 HGB). Von ihr kann also nicht einmal individualvertraglich abgewichen werden (BGH a.a.O.).

Sodann wird der “Unterlagenbegriff” in der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung weit ausgelegt:

Es wird alles erfasst, “was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit – insbesondere zur Anpreisung der Waren beim Kunden – dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt” (BGH vom 04.05.2011, Az. VIII ZR 11/10, NJW 2011, S. 2423 ff. (2425) m.w.Nw., siehe Anlage). Zudem muss der Handelsvertreter auf diese Hilfsmittel angewiesen sein (BGH a.a.O.). Sie müssen für die Vermittlungstätigkeit erforderlich sein.

Nicht zu den kostenlos zur Verfügung zu stellenden Unterlagen gehören die Dinge, die der Handelsvertreter als Geschäftsausstattung benötigt (§ 87d HGB), d.h. die eigene Büroausstattung, wie Briefpapier, Visitenkarten etc. und die Kosten des eigenen Betriebes und der Repräsentation gegenüber den Kunden (BGH vom 17.11.2016 Tz. 20).

Schon länger ist in der deutschen Rechtsprechung klar gewesen, dass dem Handelsvertreter die Muster und speziell im Textilgewerbe die Musterkollektionen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen sind und der Handelsvertreter nicht verpflichtet werden darf, diese, wenn auch mit Rabatt, käuflich zu erwerben (siehe OLG München vom 03.03.1999, Az. 7 U 6158/98, HVR Nr. 895, OLG Düsseldorf vom 25.11.1994, Az. 16 U 279/93, HVR Nr. 770, Landgericht Düsseldorf vom 20.08.1996, Az. 32 O 68/95, HVR Nr. 841, Landgericht Nürnberg-Fürth vom 12.03.1996, Az. 2 HK O 6793/94, HVR Nr. 842 – siehe Anlage).

Der BGH hat aber in seiner Entscheidung vom 04.05.2011 auch festgestellt, dass zu den vom Unternehmen unentgeltlich zur Verfügung zu stellenden “Unterlagen” auch nichtgegenständliche Güter, wie Firmensoftware, die für die Eingabe und Verwaltung der Aufträge benötigt wird, gehören können und dem Handelsvertreter auch insoweit keine Kosten belastet werden dürfen (BGH a.a.O.). Dies geschieht in Deutschland immer noch branchenübergreifend sehr häufig. Sogenannte Give-aways hingegen gehören nach dem BGH nicht hierzu.

In der Entscheidung des BGH vom 17.11.2016 (siehe Anlage) ging es um eine Kassenpacht, die ein Tankstellenpächter für die Hard- und Software des von ihm zu verwendenden Kassensystems bezahlen musste. Auf das Kassensystem wurden per Datenfernübertragung u.a. die Preisdaten vom Unternehmen übermittelt, die zwingend für die Abrechnung mit den Kunden benötigt werden. Auch diese Kostenbelastungen erfolgten unrechtmäßig. Das neue an dieser Entscheidung war, dass der VII. Zivilsenat des BGH nicht mehr der Meinung des VIII. Zivilsenates folgte, der noch davon ausging, dass eine einheitliche Preisabrede für Hard- und Software insgesamt unwirksam sei. Der VII. Zivilsenat will jetzt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermitteln, was die Parteien für die Hardware (die Kasse an sich) vereinbart hätten, die nach Meinung des BGH zur Geschäftsausstattung gehört hat, wenn sie nur hierüber die Vergütungsvereinbarung getroffen hätten (BGH a.a.O. Tz. 32).

In Deutschland sind aber noch ganz andere Bereiche von dieser Thematik betroffen. So unter anderem das Autovermietgewerbe. Dort werden den Agenturen nicht nur Kosten für die Nutzung des EDV-Systems und die Datenfernübertragung belastet, sondern auch die einheitliche Arbeitskleidung bis hin zur Anmietung der Parkplätze, die für die Bereithaltung der zu vermietenden und zurückgegebenen Pkw‘s benötigt werden. Diese Bereithaltung der Pkw‘s sind aber Teil der unternehmerischen Erfüllung der Mietverträge und ohne die bereitgehaltenen Pkw wäre das Autovermietgeschäft vor Ort nicht denkbar.

Ähnliche Überlegungen lassen sich bei den Mobilfunkagenturen, denen von den Mobilfunkbetreibern die Ladenlokale vermietet werden, in denen die Mobilfunkgeschäfte abgeschlossen werden, anstellen.

In Deutschland können die unrechtmäßig belasteten Kosten in der Regel innerhalb der Verjährungsfrist 3 Jahre zurück gegenüber dem Unternehmen herausverlangt werden.

 

Dr. Dirk Harten

Dr. Harten & Partner mbB, Hamburg