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Frage des Polnischen Obersten Gerichtshofes an Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)

Frage des Polnischen Obersten Gerichtshofes an Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)

In der Angelegenheit mit dem Aktenzeichen I CSK 483/18 hat der Oberste Gerichtshof am 17. September 2020 eine Frage an den EuGH nach dem Charakter des Artikels 7 Abs. 1 Buchstabe b) der Richtlinie 86/653/EWG weitergeleitet (noch nicht geschickt):

Steht dem Handelsvertreter ein zwingender Anspruch auf die Provision aus Verträgen mit einem Dritten, den er bereits vorher für Geschäfte gleicher Art als Kunden geworben hatte, zu

ODER

darf man diesen Anspruch im Agenturvertrag ausschließen?

Artikel 7 (1) b) der Richtlinie: Für ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes Geschäft hat der Handelsvertreter Anspruch auf die Provision, […] b) wenn das Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen wurde, den er bereits vorher für Geschäfte gleicher Art als Kunden geworben hatte.

Sachstand:

Der Agent war jahrelang mit einer der polnischen Banken durch einen Agenturvertrag verbunden, auf dessen Grundlage er u.a. als Vermittler beim Abschluss von Kreditkartenverträgen tätig war. Der Agenturvertrag sah eine Provision für den Agenten für die Werbung eines Kunden für eine Kreditkarte vor. Der Agent kümmerte sich um die weitere Betreuung der akquirierten Kunden nicht, verkaufte keine neuen Produkte – die Bank tat dies in eigener Regie. Der Agenturvertrag enthielt keine Bestimmungen über den Provisionsanspruch des Agenten bei späteren Verträgen, die die Bank mit den vom Agenten geworbenen Kunden abschloss.

Nach Beendigung des Agenturvertrags ersuchte der Agent die Bank um Informationen über die Verträge, die die Bank mit den vom Agenten akquirierten Kunden abgeschlossen hat; insbesondere diese, die ohne Beteiligung des Agenten abgeschlossen wurden.

Art. 761 § 1 des poln. ZGB: Der Agent hat Anspruch auf Provision für Verträge, die während der Dauer des Agenturverhältnisses abgeschlossen wurden, sofern es zu deren Abschluss infolge seiner Handlung gekommen ist oder sie mit den durch den Agenten vorher für Verträge der gleichen Art gewonnenen Kunden abgeschlossen wurden.

Die Bank weigerte sich, Auskünfte zu erteilen und wies insbesondere darauf hin, dass der Agent keinen Anspruch auf Provisionen für Verträge „gleicher Art“ hat, da dieses Recht im Agenturvertrag ausgeschlossen wurde, weil Artikel 761 § 1 des poln. ZGB kein zwingendes Recht sei.

Das Bezirksgericht in Warszawa und das Berufungsgericht in Warszawa haben die Klage und die Berufung des Agenten abgelehnt; das Gericht der ersten Instanz hat die Frage nach dem Charakter des Artikels 761 § 1 des poln. ZGB überhaupt nicht beantwortet, das Gericht der zweiten Instanz war der Meinung, dass Artikel 761 § 1 ein ius dispositivi sei.

Die Rechtsprechung betr. den Charakter des Artikels 761 § 1 des poln. ZGB ist nicht einheitlich; in der Literatur kann man beide Meinungen finden. Die Kassationsbeschwerde wurde zugelassen

Polnische ZPO:

  • Eine Kassationsbeschwerde darf man auf die Verletzung des materiellen Rechts durch Fehlauslegung oder nicht richtige Anwendung stützen.
  • Zusätzlich nimmt der Oberste Gerichtshof eine Kassationsbeschwerde zur Erwägung nur dann an, wenn: 1) es in der Angelegenheit eine wichtige rechtliche Frage gibt; 2) die Notwendigkeit besteht, Rechtsvorschriften auszulegen, die ernsthafte Zweifel aufkommen lassen oder zu Divergenzen in der Rechtsprechung führen; 3) das Verfahren nichtig ist; 4) die Kassationsbeschwerde offensichtlich gerechtfertigt ist.

Bearbeitet von: RAin Olga Sztejnert-Roszak

SWKS Sztejnert, Winnicka, Kowalczuk, Sosnowska, www.swks.com.pl