Urteil des OLG München vom 03.11.2010, AZ: 7 U 3083/10
Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges (§ 87c Abs. 2 HGB) kann nach Streichung des § 88 HGB und der Anwendung der allgemeinen Verjährungsvorschriften auf die Ansprüche des Handelsvertreterrechts nicht mehr selbständig verjähren!
Zwar hat das BGH in seinem Urteil vom 22.05.1981 (NJW 1982, S. 235 f.) noch entschieden, dass der Buchauszugsanspruch als spezialgesetzlicher Auskunftsanspruch des Handelsvertreterrechts selbständig nach § 88 HGB verjährt. Diese Auffassung ist nach der Gesetzesänderung der allgemeinen Verjährungsvorschriften nicht mehr aufrecht zu erhalten.
Die BGH-Entscheidung und die darauf beruhende bis heute unveränderte Kommentierung in der Literatur zur selbständigen Verjährung der Hilfsansprüche (NJW 1982, S. 235) erging zu der alten Verjährungsregelung des gestrichenen § 88 HGB, die unabhängig von der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen zu laufen begann. Inzwischen sieht § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor, dass die Verjährung frühestens mit der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen anfängt. Ein Bezirksvertreter, wie auch alle anderen Handelsvertreter können überhaupt erst nach Erhalt des Buchauszuges und ggf. einer Bucheinsicht beurteilen, ob ihnen noch nicht abgerechnete Provisionen zustehen. In Bezug auf Stornierungen und Nichtzahlungen sowie deren Gründe erhält der Handelsvertreter auch erst durch den Buchauszug die für ihn notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen. Derartige Provisionsansprüche sind mithin auch nach Ablauf von 3 Jahren noch nicht verjährt. Es kann also nicht sein, dass der für die Kenntniserlangung notwendige Hilfsanspruch vor dem Hauptanspruch verjährt und dem Handelsvertreter damit die Möglichkeit genommen wird, die für ihn so wichtigen anspruchsbegründenden Tatsachen der ihm zustehenden unverjährten Provisionen in Erfahrung zu bringen. Deshalb kann der Buchauszug heute nicht mehr selbständig verjähren.
Es gibt bisher zu diesem Thema kaum Rechtsprechung und erst recht keine veröffentliche Rechtsprechung. Es ist jetzt gelungen, nach einem entsprechenden Urteil des Landgerichts München I vom 03.05.2010, AZ: 10HK O 24083/09, auch ein Urteil des Oberlandesgerichts München zu erstreiten, das die vorstehende Rechtsauffassung bestätigt.
Das Oberlandesgericht München ist mit seiner noch nicht veröffentlichten Entscheidung vom 3. November 2010, AZ: 7 U 3089/10, wie zuvor bereits das Landgericht München I der Rechtsauffassung beigetreten, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges (§ 87c Abs. 2 HGB) nicht mehr der selbständigen Verjährung unterliegt, wie dies nach der Rechsprechung des BGH (NJW 1982, S. 235) noch im Rahmen des inzwischen gestrichenen § 88 HGB der Fall war.
Durch das Verjährungsanpassungsgesetz vom 09.12.2004 (BGBl I 3214) wurden die handelsvertreterrechtlichen Ansprüche der allgemeinen Verjährung der §§ 195 ff. BGB unterstellt und verjähren seitdem nicht mehr unabhängig von der Kenntniserlangung der anspruchsbegründenden Tatsachen. Voraussetzung für den Verjährungsbeginn ist seitdem erstens die Anspruchsentstehung und zweitens die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners bzw. die grob fahrlässig verursachte Unkenntnis des Gläubigers durch den Schuldner (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB). Die Kommentierung hat diese Veränderung bisher insofern kaum wahrgenommen, als die bisherige Rechtsprechung des BGH zur selbständigen Verjährung der Hilfsansprüche vielfach fortgeschrieben wurde. Insbesondere Bezirksvertreter, aber auch die übrigen Handelsvertreter können überhaupt erst nach Erhalt des Buchauszuges und ggf. einer Bucheinsicht beurteilen, ob diesen noch nicht abgerechnete Provisionen zustehen. Entsprechendes gilt auch für die Versicherungsvertreter. Bei Stornierungen und Nichtzahlungen sowie über die Gründe hierfür erhält der Handelsvertreter erst durch den Buchauszug die für ihn notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen. Es kann also nicht sein, dass der hierfür notwendige Hilfsanspruch vor dem Hauptanspruch verjährt und dem Handelsvertreter damit die Möglichkeit genommen wird, die für ihn so wichtigen anspruchsbegründenden Tatsachen der ihm zustehenden unverjährten Provisionen in Erfahrung zu bringen. Es kann dem Handelsvertreter auch nicht zugemutet werden, während des Vertragsverhältnisses in regelmäßigen Abständen (nach 3 Jahren jährlich) einen Buchauszug zu verlangen und gerichtlich geltend zu machen, weil dies von dem Unternehmer als Kriegserklärung verstanden und im Zweifel zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führen würde. Dieser Ansicht gab das OLG München mit der vorstehenden Entscheidung im Anschluss an das LG München jetzt recht.
Der Wortlaut der Entscheidungen kann bei den Rechtsanwälten Dr. Harten & Partner, www.mail[at]harten-partner.de angefordert werden.
Mitgeteilt von Dr. Dirk J. Harten, Dr. Harten & Partner, Hamburg