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Fristlose Kündigung eines Vertriebsvertrags

Fristlose Kündigung wegen Betreibung durch eine nahestehende Firma

Vertragsparteien im vorliegenden Fall waren eine Unternehmung, die Hochleistungsdüsen und Komponenten für die Wasserstrahl-Technologie herstellt, und eine Alleinvertreterin.

Ende Februar 2007 betrieb eine Firma Z, die 90% der Anteile der Alleinvertreterin besitzt, einen Herrn A, den früheren Inhaber und Geschäftsführer der Unternehmung, der seinerseits wiederum mit 10% an der Alleinvertreterin beteiligt war. Die Unternehmung kündigte in der Folge den Alleinvertriebsvertrag – wie die Vorinstanz feststellte – ausschliesslich wegen dieser Betreibung fristlos und nicht aus weiteren während des Prozesses nachträglich vorgebrachten Gründen.

Vereinbarung einer Entschädigung bei Kündigung durch die Unternehmung …

Im Alleinvertriebsvertrag hatten die Parteien vorgesehen, die Vertriebsgesellschaft erhalte eine Abfindung von 20% vom nachweislichen Jahresumsatz falls die Unternehmung den Vertrag kündige.

… und ihre Auslegung

Die Vorinstanz legte diese Abfindungsklausel nach dem Vertrauensprinzip aus. Sie kam zum Schluss, gemäss Wortlaut sei eine Abfindung immer dann geschuldet wenn die Unternehmung kündige, weitere Voraussetzungen seien nicht genannt und die der Alleinvertreterin zustehende Entschädigung sei auf Grundlage des Umsatzes der Alleinvertreterin zu berechnen.

Die Vorinstanz verneinte, dass die Alleinvertreterin die Kündigung durch die erwähnte Betreibung verschuldet habe. Diese Betreibung sei lediglich gegen eine mit der Unternehmung verbundene Privatperson erfolgt. Die Unternehmung könne daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten, selbst wenn man Art 418u Abs. 3 OR analog anwenden wollte.

Entgangener Bruttogewinn als Schadenersatz bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung

Als Entschädigung für die ungerechtfertigte fristlose Kündigung sprach die Vorinstanz der Alleinvertreterin den entgangen Bruttogewinn bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin zu und lehnte eine Vorteilsanrechnung ab. Dies, weil die Unternehmung die Alleinvertreterin abrupt nicht mehr beliefert habe und diese daher alles habe daran setzen müssen, ihren Kundenstamm zu behalten und sich die Vertragsprodukte aus dem Ausland zu beschaffen, um bestehende Verträge mit ihren Kunden einhalten zu können.

Das Bundesgericht wies in seinem Urteil (4A_86/210 vom 5. Juli 2010) die Beschwerde der Unternehmung ab. Es bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz, mit dem diese die Klage der Alleinvertreterin auf Bezahlung von CHF 347’000.00 als Abfindung (20%) und von CHF 424’000.00 als Schadenersatz abzüglich einem von der Alleinvertreterin anerkannten und durch Verrechnung getilgten Betrag von CHF 200’000.00 in vollem Umfang gutgeheissen hatte.

Mitgeteilt von Dr. André Thouvenin, Thouvenin Rechtsanwälte, Zürich.