Grundsatzentscheidung zum Ausgleichsanspruch
Der Geschäftsherr hatte den Handelsvertretervertrag gekündigt, die Handelsagentur hat einen Ausgleich geltend gemacht. Sie hatte in den letzten 10 Jahren sämtliche Kunden neu geworben.
Die Entscheidungen erster und zweiter Instanz
Erstgericht und Berufungsgericht haben dem Ausgleichsanspruch in der maximalen Höhe einer Jahresdurchschnittsvergütung stattgegeben. Die Handelsagentur hatte die Zuführung neuer Kunden und die Geschäftsabschlüsse bewiesen. Sie hat die in den letzten 12 Monaten vor Vertragsbeendigung erzielten Provisionen unter Anführung der jeweiligen Kunden dargelegt. Es bestand daher die rechtliche Vermutung, dass die Geschäftsverbindungen zum Unternehmen auch nach der Vertragsbeendigung weiterbestehen würden. Der Einwand des Unternehmens, es müsse sich anstrengen, um mit den Kunden in Kontakt zu bleiben, wurde verworfen. Denn dies ist im Geschäftsleben eine Selbstverständlichkeit. Im Rahmen der Billigkeit kann der vereinbarte Provisionssatz ebenso wenig ausgleichsmindernd berücksichtigt werden wie die Dauer des Vertragsverhältnisses oder die Frage, wie lang der vom Handelsvertreter zugeführte Kundenstock schon vorhanden sei. Im Rahmen des Rohausgleichs sind (ähnlich dem deutschen Recht) die hypothetischen Provisionseinnahmen der Handelsagentur bei fortgeführtem Vertrag zu ermitteln. Im konkreten Fall lag der Rohausgleich über der gesetzlichen Höchstgrenze einer Jahresdurchschnittsvergütung, sodass diese zustand.
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
Der OGH hat diese Ansicht (mit Verweis auf die deutsche Rechtslage) bestätigt. Es ist zunächst ein der Billigkeit entsprechender Rohausgleich zu ermitteln, dieser ist dann mit der Jahresdurchschnittsvergütung zu vergleichen. Die Bemessungsgrundlage des Ausgleichsanspruchs sind die Provisionsverluste, die weiterwirkenden Vorteile für den Unternehmer und die Billigkeit (§ 24 Abs 1 HVertrG). Die Höchstgrenze nimmt dann auf Fragen der Angemessenheit oder Billigkeit keinen Bezug mehr. Gelingt dem Handelsagenten der Beweis für die Zuführung neuer Kunden und die getätigten Geschäftsabschlüsse, kommt ihm für die restlichen Anspruchsvoraussetzungen eine Beweiserleichterung zugute. Der Unternehmer müsste beweisen, dass die ihm durch den Handelsvertreter geschaffenen Verdienstchancen (wobei es auch auf potentiell erzielbare Vorteile ankommt) im Einzelfall über die Beendigung hinaus keinen Bestand haben oder haben werden. Die Provisionsverluste sind für einen Zeitraum von 4 Jahren nach Vertragsauflösung zu ermitteln. Auch die 20 %ige Abwanderungsquote pro Jahr wurde vom OGH nicht beanstandet. Dass das Unternehmen einige Großkunden mit betreut hatte, begründete keinen Billigkeitsabschlag. Der OGH hat dazu betont, dass ja dann das Unternehmen umso mehr die Chance hatte, diese Kunden auch nach dem Ausscheiden des Handelsvertreters weiter betreuen zu können. Insofern war dies kein Argument gegen, sondern für den Ausgleichsanspruch.
Mitgeteilt von Dr. Gustav Breiter.