Grundsatz
Der Agent besitzt, wenn das Vertragsverhältnis beendet wird, einen Anspruch auf eine Kundschaftsentschädigung.
Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch sind ähnlich wie im deutschen Recht. Ein Anspruch auf Kundschaftsentschädigung besteht, wenn:
- das Agenturverhältnis beendet ist,
- die Auflösung des Vertrags nicht vom Agenten zu vertreten ist,
- der Kundenkreis durch die Tätigkeit des Agenten wesentlich erweitert wurde,
- der Auftraggeber auch nach der Vertragsauflösung erhebliche Vorteile hat und
- die Ausrichtung einer Kundschaftsentschädigung nicht unbillig ist.
Zu den einzelnen Voraussetzungen:
Beendigung des Agenturverhältnisses
Entscheidend ist, dass das Agenturverhältnis beendet ist. Die Gründe spielen keine Rolle. Der Vertrag kann somit gekündigt worden oder nach einer vereinbarten Frist abgelaufen sein oder die Parteien können den Vertrag einvernehmlich aufgehoben haben. Ein Anspruch besteht auch, wenn der Vertrag infolge Todes des Agenten beendet wurde.
Auflösung des Vertrags nicht vom Agenten zu vertreten
Die Auflösung darf nicht vom Agenten zu vertreten sein. Kündigt der Auftraggeber aus Gründen, die in der Person des Agenten, die in dessen Geschäftstätigkeit usw. liegen, besteht kein Anspruch.
Solche Gründe müssen jedoch im schweizerischen Recht nicht derart schwerwiegend sein, dass sie in einem Anstellungsverhältnis zu einer fristlosen Entlassung berechtigten. Damit unterscheidet sich das schweizerische Recht von anderen nationalen Rechten, wie beispielsweise dem deutschen.
Hat der Agent gekündigt, muss der Auftraggeber ihm Anlass dazu gegeben haben, damit ein Anspruch auf eine Kundschaftsentschädigung besteht.
Wesentliche Erweiterung des Kundenkreises
Die Anzahl Kunden muss aufgrund der Tätigkeit grundsätzlich grösser sein als bei Vertragsbeginn oder der Agent muss zumindest den Umsatz bestehender Kunden wesentlich erweitert haben. Entscheidend ist, ob mit den vom Agenten geworbenen Kunden weiter eine geschäftliche Beziehung von einer gewissen Dauer besteht mit wenigstens potentiell wiederholt getätigten Geschäften.
Erhebliche Vorteile des Auftraggebers nach der Vertragsauflösung
Der Nutzen der geworbenen Kundschaft muss für den Auftraggeber wirtschaftlich ins Gewicht fallen. Der Auftraggeber muss Aussicht auf Nachstellungen haben, d.h. der Auftraggeber muss in der Lage sein, den Kundenstock weiter zu nutzen, wenn er dies will.
Billigkeit
Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass einem Agenten auch dann eine Kundschaftsentschädigung auszurichten ist, wenn dies vom Richter als stossend oder ungerecht empfunden wird, beispielsweise weil der Auftraggeber dem Agenten neben der Provision andere erhebliche Leistungen, insbesondere in Hinsicht auf dessen Altersvorsorge, erbrachte. Den Nachweis, dass der Anspruch des Agenten unbillig ist, hat der Auftraggeber zu erbringen.
Die Begrenzung des Anspruchs
Die Kundschaftsentschädigung ist nach oben begrenzt durch den durchschnittlichen Nettojahresverdienst, d.h. auf sämtliche Provisionen, die dem Agenten aus Geschäften mit alten und neuen Kunden zuflossen, weiteren Entschädigungen des Auftraggebers wie z.B. Beiträge an Ausstellungen, Werbematerialien usw. Davon abzuziehen sind die Unkosten des Agenten, d.h. Reisekosten, Löhne, Mieten, Porti, Telefon, Autokosten usw.
Verjährung
Der Anspruch auf eine Kundschaftsentschädigung ist – anders wie beispielsweise im deutschen Recht – nicht innerhalb eines Jahrs geltend zu machen. Er verjährt in zehn Jahren nach Vertragsende.
Der Anspruch auf Kundschaftsentschädigung ist zwingend.
Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf Kundschaftsentschädigung als zwingend ausgestaltet, d.h. der Agent kann weder bei Vertragsschluss noch während der Dauer des Vertrags auf diesen Anspruch verzichten, sofern er hauptberuflich als Agent tätig ist.
1. Dezember 2009
Mitgeteilt von Dr. André Thouvenin, Thouvenin Rechtsanwälte, Zürich.