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Urteil des EuGH zu den Voraussetzungen eines Provisionsrückforderungsanspruches

Erstmals hat sich der Europäische Gerichtshof zu den Voraussetzungen von Provisionsrückforderungsansprüchen im Versicherungsvertrieb geäußert.

 

Die Vorlagefragen

 

Eine slowakische Versicherungsvertreterin war von einem Versicherungskonzern auf Rückzahlung von gut 11.000,00 € Provisionen verklagt worden. In dem Agenturvertrag befand sich eine Klausel, die besagt, dass der Provisionsanspruch entfällt, wenn der Kunde in den ersten Monaten der Durchführung des Vertrages die Prämien nicht zahlt bzw. sich die Provision anteilig verringert, wenn der Kunde nach Ablauf der ersten drei Monate der Vertragsdurchführung die Zahlungen einstellt. Die Vertreterin brachte vor, die Versicherung habe die Stornierungen der Verträge zu vertreten, da diese von den Kunden nach Vertragsabschluss noch zahlreiche Fragen beantwortet haben wollte, sodass die Kunden schließlich genervt die Zahlungen einstellten. Das slowakische Gericht legte die Frage, wie der Begriff des “Vertretenmüssens” vor dem Hintergrund der Handelsvertreterrichtlinie auszulegen sei, dem Europäischen Gerichtshof vor. Konkret geht es darum, ob ein Unternehmen nur rechtlich relevantes Verhalten in Bezug auf den jeweiligen Versicherungsvertrag zu vertreten hat (wie etwa keine rechtzeitige Stornogefahrmitteilung an den Vertreter oder Kündigung des Vertrages durch die Versicherung) oder ob auch ein sonstiges Verhalten wie hier dazu führt, dass der Provisionsanspruch bestehen bleibt. Auch wurde der EuGH angefragt, ob nur eine komplette Nichtausführung des Versicherungsvertrages zu Provisionsrückforderungsansprüchen führt, oder ob auch eine teilweise Nichtausführung ausreicht.

 

Die Auslegung des EuGH

 

Die letztere Frage beantwortete der EuGH dahingehend, dass auch eine teilweise Nichtausführung zu anteiligen Provisionsrückforderungen führen kann. Dies begründet er damit, dass es in der Handelsvertreterrichtlinie heißt, dass der Rückforderungsanspruch besteht, soweit das Geschäft nicht ausgeführt wird. Dieses Wort fehlt allerdings im slowakischen Gesetzestext, sodass dieser im Sinne der Richtlinie auszulegen ist.

 

Interessanter und auch für die Rechtsprechung in Deutschland verwertbar ist die Antwort auf die andere Frage. Der EuGH stellt klar, dass der Begriff des Vertretenmüssens zugunsten des Vertreters weit auszulegen ist. Daher umfasst er nicht nur rechtlich relevantes Verhalten der Versicherung in Bezug auf den speziellen Versicherungsvertrag, sondern jegliches Verhalten. Also auch wie hier das Nerven der Kunden mit zahlreichen Nachfragen trotz bereits abgeschlossenem Vertrag. Nach Beantwortung dieser Frage wird das erkennende Gericht die Provisionsrückforderungsansprüche der Versicherung in diesen Fällen zurückweisen.

 

Besonderheit der Entscheidung

 

Bemerkenswert ist, dass der EuGH in dieser Angelegenheit überhaupt entschieden hat. Ein Großteil des Urteils beschäftigt sich dementsprechend auch mit der Klärung der Zuständigkeit des Europäischen Gerichts. Denn die europäische Handelsvertreterrichtlinie gilt nur für Warenhandelsvertreter, also gerade nicht für Versicherungsvertreter als Vermittler von Dienstleistungen. Da aber die Slowakei deren nationales Gesetz zum Handelsvertreterrecht erst aufgrund der Handelsvertreterrichtlinie erließ und das Gesetz keine Einschränkung auf Warenhandelsvertreter macht, es also für alle Handelsvertreter gilt, kann der EuGH die Auslegung dieses Gesetzes auch anhand der Handelsvertreterrichtlinie und auch hinsichtlich von Dienstleistungsvertretern prüfen.

Spannend ist die Frage, ob man aufgrund dieser Entscheidung auch zu einer Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes bei einem deutschen Versicherungsvertreter gelangen kann. Zwar gibt es die nationale deutsche Regelung schon weit länger als die Handelsvertreterrichtlinie (und waren deren Vorlage), allerdings sind gemäß § 92 Abs. 2 HGB die deutschen Vorschriften zum Handelsvertreter mit kleinen Modifikationen ausdrücklich auch auf den Versicherungsvertreter anwendbar und zudem wurde auch das deutsche Gesetz zwischenzeitlich aufgrund der Richtlinie modifiziert, ohne dass der deutsche Gesetzgeber eine ausdrückliche Einschränkung auf den Warenhandelsvertreter vorgesehen hätte. Das Argument des EuGH ist also auch in Bezug auf die deutsche Regelung denkbar.

 

Bedeutung für die Praxis

 

Hinsichtlich des Vertretenmüssens lässt sich das Argument des EuGH direkt auch in deutschen Rechtsstreitigkeiten fruchtbar machen, denn die Formulierung ist hier exakt so wie in der Richtlinie. Somit können sämtliche Umstände herangezogen werden, die aus der Sphäre der Versicherung kommen und nicht nur rechtlich relevantes Verhalten in Bezug auf den jeweiligen Versicherungsvertrag.

Ferner gibt es durchaus im deutschen Gesetzestext Abweichungen von der Formulierung in der Richtlinie. Im Warenhandels- Vertreterrecht ist daher anerkannt, dass im Zweifel die dem Handelsvertreter günstigste Regelung gilt. Ist also die Formulierung in der Richtlinie günstiger, so ist diese entscheidend. Nach der vorliegenden Entscheidung des EuGH lässt sich nun mit guter Begründung vertreten, dass dieser bei solchen Abweichungen auch hinsichtlich eines Versicherungsvertreters zuständig ist und somit auch deutsche Gerichte diesen betreffende Vorlagefragen an den EuGH richten können.

 

 

RA Bernhard Schleicher

Rechtsanwälte Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth und Kollegen, München