Ennio Piovesani
Am 16.1.2006 schlossen Herr Tizio, der Handelsvertreter, und Alfa, der Unternehmer, einen Handelsvertretervertrag. Am 7.8.2020 kündigte der Unternehmer den Vertrag einseitig aus wichtigem Grund wegen „schuldhaftes Fehlen von Engagement” des Handelsvertreters. Dieser Fehler zeigte sich auch in einem „alarmierenden Umsatzrückgang” im Zeitraum Juni/Juli 2020. Der Handelsvertreter erhob daraufhin Klage vor dem LG Mailand und beantragte die Feststellung der Unrechtmäßigkeit der Kündigung und die Verurteilung des Unternehmers zur Zahlung der Ausgleich (sowie der Entschädigung für den Wechsel des Kundenkreises). Der LG gab den Klagen statt. Der Unternehmer legte daraufhin Berufung beim OLG Mailand ein.
Das OLG Mailand bestätigte die angefochtene Entscheidung insoweit, als es feststellte, dass kein wichtiger Grund für die Kündigung vorlag (änderte aber die Entscheidung hinsichtlich des Kundenwechsel). Insbesondere bestätigte das OLG, dass der Unternehmer weder das Vorliegen des „schuldhaftes Fehlen von Engagement” des Handelsvertreters noch einen ihm zuzurechnenden „alarmierenden Umsatzrückgang” nachgewiesen hatte. Vielmehr stellte das BerGer fest, dass diese beiden Umstände auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen seien.
In der Tat lautet das BU: „Der Vorwurf, ‚nur sehr wenige Kundenbesuche durchgeführt’ zu haben, erscheint nicht nur allgemein, sondern auch völlig ungeeignet, um einen wichtigen Grund für die Kündigung darzustellen, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass, wie bereits vom Richter der ersten Instanz festgestellt, in den entsprechenden Monaten die COVID-19-Pandemie jeden sozialen Kontakt drastisch reduziert hatte, so dass es – unabhängig von der Existenz mobilitätseinschränkender Maßnahmen – vorzuziehen und dringend zu empfehlen war, alternativ zu Kundenbesuchen auf Kommunikationsmittel aus der Ferne zurückzugreifen (z. B. Anrufe, E-Mail, Videokonferenzen)”.
Was den Umsatzrückgang betrifft, so stellte das BerGer fest, dass dieser eher durch die Pandemiesituation bestimmt wurde: „[…] der bloße Vergleich zwischen dem Umsatz der Monate Juni und Juli 2020 und dem Umsatz der gleichen Monate des Vorjahres ist nicht aussagekräftig, um die Nichterfüllung der Verpflichtungen des Handelsvertreters nachzuweisen, auch aus dem zusätzlichen Grund, dass er nicht die bekannte Wirtschaftskrise berücksichtigt, die durch die COVID-19-Pandemie verursacht wurde, die im Jahr 2020 alle Wirtschaftsbereiche betraf”.