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Fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages durch den Unternehmer wegen angeblicher Konkurrenztätigkeit des Handelsvertreters

Oberlandesgericht Celle, Entscheidung vom 19.04.2007 – 11 U 240/06 –

Der Kläger war für den Beklagten als Handelsvertreter tätig. Der Beklagte vertrieb Produkte verschiedener Möbelhersteller. Aufgrund angeblicher Konkurrenztätigkeit des Klägers kündigte der Beklagte fristlos mit Schreiben vom 05.10.2001 durch den CDH den Handelsvertretervertrag. Dem Schreiben des CDH war jedoch keine Vollmacht beigefügt. Der Kläger wies die Kündigung sofort als unbegründet zurück und rügte gleichzeitig die fehlende Vollmacht. Mit Schreiben vom 11.02.2002 kündigte der Beklagte abermals fristlos den Handelsvertretervertrag. Daraufhin kündigte der Kläger seinerseits den Handelsvertretervertrag fristlos. Die fristlose Kündigung stützte dieser auf die unbegründete Kündigung des Beklagten sowie ihm vorenthaltende Provisionen.

Rechtzeitigkeit der Kündigung durch den Unternehmer

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sind beide Kündigungen des Beklagten unwirksam. Die erste Kündigung vom 05.10.2001 war schon infolge fehlender Vollmacht unwirksam. Die zweite Kündigung vom 11.02.2002 war demgegenüber nicht rechtzeitig. Auch die zweite Kündigung stützte sich auf eine angebliche Konkurrenztätigkeit des Klägers. Grundsätzlich rechtfertigt eine Konkurrenztätigkeit des Handelsvertreters eine außerordentliche Kündigung mit der Folge des Ausschlusses eines Ausgleichsanspruchs. Ob eine Konkurrenztätigkeit vorlag, ließ das OLG dahingestellt. Aufgrund der Beweisaufnahme ging das OLG davon aus, dass der Beklagte schon seit der Frühjahrsmesse 2001 Kenntnis von der vermeidlichen Konkurrenztätigkeit des Klägers hatte. Für die Kenntnis ist bereits das Wissen des Unternehmers ausreichend, dass der Handelsvertreter für ein potenzielles Konkurrenzunternehmen tätig ist. Üblicherweise ist erst dann von einer Kenntniserlangung auszugehen, wenn dem Unternehmer konkrete Tatsachen bekannt sind, auf die er seine Kündigung stützen kann. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Unternehmer bereits zuvor hinreichend konkrete Hinweise auf ein möglicherweise vertragswidriges Verhalten erhalten hat, es aber gleichwohl unterlässt, diesen Hinweisen nachzugehen.

Dem Unternehmer ist eine angemessene Überlegungszeit zuzubilligen. Die Angemessenheit richtet sich nach dem Einzelfall. Die Überlegungszeit ist allerdings regelmäßig kürzer als 2 Monate. Angesichts dessen wäre auch bei unterstellter Kenntniserlangung des Beklagten im September 2001 die zweite Kündigung vom 11.02.2002 nicht rechtzeitig erfolgt.

Der Beklagte hätte nach Zurückweisung der ersten Kündigung unverzüglich eine abermalige außerordentliche Kündigung aussprechen müssen. Dies gilt umso mehr, wenn der Handelsvertreter trotz erfolgter außerordentlicher Kündigung dem Unternehmer mitteilt, dass er sich weiterhin an den Handelsvertretervertrag gebunden fühle.

„Gegenkündigung“ des Handelsvertreters

Grundsätzlich kann im Fall einer unberechtigten Kündigung durch den Unternehmer der Handelsvertreter den Handelsvertretervertrag fristlos kündigen ohne seinen Ausgleichsanspruch zu verlieren.

Die erste Kündigung des Beklagten war mangels Vollmacht unwirksam. Auf diese Kündigung konnte der Kläger keine wirksame Gegenkündigung stützen. Zudem habe der Kläger – so das OLG gleichzeitig mit der Zurückweisung der Kündigung darauf hingewiesen, weiterhin für den Beklagten tätig sein zu wollen. Hieraus ergebe sich, dass der Kläger die Fortführung des Handelsvertreterverhältnisses durch die Kündigung nicht als gefährdet ansah. Eine gleichwohl auf die Kündigung des Beklagten gestützte „Gegenkündigung“ verstoße damit gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB). Ob die zweite Kündigung des Beklagten das Recht des Klägers zur fristlosen Kündigung habe wieder aufleben lassen, hat das OLG nicht entschieden. Zweifel hat das OLG insoweit geäußert, als die zweite Kündigung des Beklagten auf denselben Kündigungsgrund gestützt worden sei, wie bereits die erste Kündigung. Einen zusätzlichen Anlass für die Kündigung des Handelsvertretervertrages durch den Handelsvertreter bot dieses Kündigungsschreiben somit nicht. Letztlich war die außerordentliche Kündigung des Handelsvertreters wirksam, da dieser die Kündigung auch auf vorenthaltene Provisionen in nicht unerheblichem Umfang stützen konnte.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Feldmann, Anwaltssozietät Dr. Becker/Bielefeld.