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Urteil des BGH vom 05.11.2008 Az. 1 ZR 28 / 06

AUCH DIE NAMEN UND ADRESSEN SELBSTGEWORBENER KUNDEN EINES VERSICHERUNGSAGENTEN KÖNNEN GESCHÄFTSGEHEIMNISSE DES VERSICHERERES SEIN

Der Vater des Beklagten war Generalagent der klagenden Versicherung.

Der Beklagte selbst war entweder als Unterhandelsvertreter oder als Makler in der Agentur seines Vaters tätig und stand in keinerlei vertraglicher Beziehung zu der Klägerin. Nach Beendigung des Agenturverhältnisses zwischen dem Vater des Beklagten und der Klägerin schrieb der Beklagte als selbständiger Makler 450 Kunden, die er während der Dauer seiner Tätigkeit für die Agentur seines Vaters selbst geworben hat, an, um diesen Produkte anderer Versicherungen anzubieten. Die Versicherung erhob daraufhin Klage auf Auskunft, Schadensersatz und Unterlassung. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das OLG die Klage abgewiesen. Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und wies die Angelegenheit zur Klärung des Sachverhalts insbesondere zur Klärung der Frage ob der Beklagte als Makler oder als Handelsvertreter für seinen Vater tätig gewesen ist, zurück, da diese Frage entscheidungserheblich ist.

Sofern der Beklagte nämlich als Makler tätig gewesen wäre, und damit im Auftrag der Kunden tätig geworden ist, bestand weder eine Pflicht zur Herausgabe von Kundendaten noch eine Verpflichtung diese Daten nicht zu verwerten. Sofern der Beklagte jedoch als Handelsvertreter tätig geworden ist, durfte er die ihm während seiner Tätigkeit bekannt gewordenen Kundennamen und Adressen, die er sich in einem privaten Notebook gespeichert hatte, nicht verwerten, da es sich um ein Geschäftsgeheimnis der klagenden Versicherung handelt, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für diese Versicherung bekannt geworden sind.

Mit dem Urteil wird eine bis dato strittige Frage des Wettbewerbsrechtes vom BGH geklärt. Wenn ein Versicherungsagent der Versicherung neue Kunden vermittelt, die dem Versicherungsagenten bereits vorher bekannt gewesen sind, somit Freunde oder Bekannte des Versicherungsagenten, sind die Namen und Adressen dieser Versicherungskunden kein Geschäftsgeheimnis der Versicherung, da diese dem Versicherungsagenten nicht durch seine Tätigkeit für die Versicherung bekannt geworden sind und ihm nicht von der Versicherung anvertraut wurden.

Wenn andererseits das Versicherungsunternehmen durch Bestandsübertragung einem Versicherungsagenten Kunden bekannt gibt, die der Versicherungsagent vorher nicht gekannt hat, sind die Namen und Adressen dieser Kunden grundsätzlich als Geschäftsgeheimnis der Versicherung zu bewerten.

Fraglich war, wie die Namen und Adressen von Kunden zu beurteilen sind, die

  • vom Versicherungsagent neu geworben wurden und
  • weder dem Versicherungsagent bekannt gewesen sind
  • noch bisher Kunden des Versicherungsunternehmens gewesen sind

Hier hatte das Oberlandesgericht Koblenz bereits mit Entscheidung vom 24.07.1986, Az: 6 O 604/86 in einem Weinvertreterfall die Auffassung vertreten, dass auch die Namen und Adressen dieser Kunden Geschäftsgeheimnisse des Unternehmers sind. Diese Auffassung wurde in der herrschenden Lehre als zu weitgehend kritisiert, da sie im Widerspruch zur Wettbewerbsfreiheit steht (AGB Kommentar Röhricht, Graf von Westphalen, 3. Aufl. § 90 Rd. Ziff. 7, Kommentierung von Dr. Thume).

Nun hat der BGH klargestellt, dass auch die Namen und Adressen dieser Kunden grundsätzlich als Geschäftsgeheimnis des Versicherungsunternehmens zu werten sind. Die Namen und Adressen von neuen Kunden die der Versicherungsagent bisher nicht kannte, können somit zukünftig nicht ohne weiteres in ein privates Kundenverzeichnis übernommen werden. Der Name und die Adresse solcher neuen Kunden kann erst dann im Zusammenhang mit persönlichen Akquisedaten verwendet werden, sofern der Kunde aufgrund eines begründeten Vertrauensverhältnisses dem Versicherungsagenten entsprechende persönliche Akquisedaten zur Verfügung stellt (siehe Wirtschaftsdienst Versicherungs- und Bausparkaufleute April 2009 „Umfang der zulässigen Nutzung von Kundenunterlagen und Akquisedaten“. Die Entscheidung des BGH enthält jedoch noch eine sehr interessante Einschränkung zu Gunsten der Versicherungsagenten. Sofern der Beklagte Versicherungskunden nicht ausschließlich im Rahmen seiner Tätigkeit für seinen Vater an die Klägerin vermittelt hat, sondern auch an andere Versicherungsgesellschaften dürfen diese Namen und Adressen von den Beklagten auch zukünftig uneingeschränkt verwertet werden, da der Beklagte dann die Namen und Adressen nicht nur im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin erlangt hat.

Für die Frage, ob ein Name oder die Adresse eines Kunden ein Geschäftsgeheimnis eines Versicherungsunternehmens ist, kommt es somit nicht nur darauf an, in welchem Zusammenhang dieser Name und die Adresse gespeichert und verwertet wird, sondern von wem man diesen Namen und die Adresse erhalten hat. Sofern der Name und die Adresse im Zusammenhang mit Versicherungsdaten des Kunden bei anderen Versicherungsgesellschaften in ein eigenes Kundenverzeichnis des Versicherungsagenten aufgenommen wird, handelt es sich nicht um ein Geschäftsgeheimnis des vertretenen Unternehmens, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob der Versicherungsagent den Namen und die Adresse des Kunden in diesem Fall von dem Kunden oder von dem anderen Versicherungsunternehmen erhalten hat.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Lutz Eggebrecht, Kanzlei Rechtsanwälte Dr. Heinicke,
Eggebrecht, Ossenforth & Kollegen, München