Oberlandesgericht Frankfurt, Entscheidung vom 08.01.2010 – 22 W 55/09 –
Bei Rechtsstreitigkeiten zwischen sog. Strukturvertrieben und Versicherungsvertreter stellt sich immer wieder im Hinblick auf die Rechtswegabgrenzung die Vorfrage, ob es sich um einen freien und selbstständigen Versicherungsvertreter oder einen Arbeitnehmer handelt. Von dieser Statusfrage ist abhängig, ob die ordentlichen Gerichte ohne die Arbeitsgerichte zu entscheiden haben und nicht zuletzt ob Sozialversicherungsbeiträge nach zu entrichten sind.
Für die Abgrenzung entscheidend ist, ob es sich um einen sog. Einfirmenvertreter handelt.
Nach § 5 III ArbGG gelten Versicherungsvertreter nur dann als Arbeitnehmer, wenn sie während der letzten 6 Monate des Vertragsverhältnisses eine Vergütung – einschließlich Provisionen und Aufwendungsersatz – im Durchschnitt von monatlich nicht mehr als 1.000,00 € bezogen haben und unter die Vorschriften des §§ 92a HGB fallen. § 92a HGB setzt voraus, dass es sich um einen sog. Einfirmenvertreter handelt. Einfirmenvertreter ist derjenige Versicherungsvertreter, dem die Tätigkeit für einen anderen Unternehmer entweder aufgrund seines Handelsvertretervertrages verboten oder wegen Art und Umfang der von ihm geschuldeten Dienstleistungen tatsächlich nicht möglich ist.
Eine vertraglich geforderte Weiterbildungspflicht begründet nicht die Annahme eines Einfirmenvertreters Kraft Vertrages.
Im Falle des vertraglichen Verbots muss der Handelsvertretervertrag eine weitere gewerbliche Betätigung ausdrücklich untersagen oder von einer Genehmigung des Unternehmers abhängig machen. Nach der Rechtsprechung reichen nur mittelbar wirkende vertragliche Einschränkungen einer weiteren Tätigkeit wie ein Wettbewerbsverbot oder das Gebot, die volle Arbeitskraft der Erfüllung des Vertrages zu widmen, nicht aus, um die Eigenschaft als Einfirmenvertreter Kraft Vertrages zu begründen. Die Selbstständigkeit des Versicherungsvertreters ist allerdings dann zu verneinen, wenn dieser in die Arbeitsorganisation des Strukturvertriebes vollständig eingebunden ist. Nach Auffassung des OLG Frankfurt reicht hierfür jedoch nicht aus, dass der Versicherungsvertreter an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen muss und ihm hierfür entsprechende Termine vorgegeben werden. Die Weiterbildungspflicht sei letztlich eine Selbstverständlichkeit. Dadurch werde weder die Arbeitsgestaltung noch die Arbeitszeit des Versicherungsvertreters reglementiert.
Selbst ein weitreichendes Wettbewerbsverbot begründet keinen Arbeitnehmerstatus.
Auch ein faktisch weitreichendes Wettbewerbsverbot sowie die gleichzeitige Untersagung einer Tätigkeit bei entsprechenden konkurrierenden Versicherungsunternehmen steht nach Auffassung des OLG Frankfurt einer Selbstständigkeit des Versicherungsvertreters nicht entgegen. Letztlich sei dies unmittelbar Ausdruck der Interessenwahrungspflicht des § 86 I HGB. In dem vom OLG zu entscheidenden Fall ergaben sich aus der Provisionsliste derart viele Einzelprodukte unterschiedlicher Anbieter, dass im Bereich des Versicherungs- und Bauspargewerbes nur wenige Produkte vorstellbar waren, die der Versicherungsnehmer hätte vertreiben können. Dies reicht jedoch nach Auffassung des OLG Frankfurt nicht aus. Selbst wenn dem Versicherungsvertreter im Ergebnis versagt ist, überhaupt anderweitig Versicherungs- oder Bausparverträge aller Art für andere Unternehmen zu vermitteln, schließt ein solches – weitrechendes – Wettbewerbsverbot die Selbstständigkeit des Versicherungsvertreters nicht aus. Diesem sei in allen anderen Branchen eine Erwerbstätigkeit für andere Unternehmen möglich. Auch wenn dieser möglicherweise nicht in seinem Ausbildungsberuf tätig sein könne, verbleibt ihm die Möglichkeit, in jeder anderen Branche und in jeder anderen Art und Weise beruflich oder gewerblich tätig zu werden, ohne dass dies durch das Versicherungsunternehmen genehmigt oder diesem gegenüber auch nur angezeigt werden müsse. Etwas anderes gelte nur dann, wenn dem Versicherungsvertreter auch die Tätigkeit in anderen Branchen untersagt oder von einer Genehmigung abhängig gemacht werde.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Feldmann, Anwaltssozietät Dr. Becker, Bielefeld