OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2012, Az. I-16 U 93/11
Eine vom Unternehmen gegenüber dem Handelsvertreter zulässiger Weise abgegebene mündliche Erklärung zwecks Beendigung des Handelsvertretungsvertrages ist oftmals mehrdeutig. Das OLG Düsseldorf hat in dem lesenwerten aktuellen Urteil vom 20.04.2012 zu dem Aktenzeichen I-16 U 93/11 klargestellt, welche Mindestanforderngen an eine (mündliche) Kündigung zu stellen sind.
Kündigungserklärung muss eindeutig sein
Der Handelsvertretungsvertrag zwischen dem Unternehmen und dem Handelsvertreter sah zunächst eine Befristung bis zum 31.12.2005 vor. Darüber hinaus vereinbarten die Parteien eine Verlängerung jeweils um 6 Monate mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten, falls bis zum 30.09.2005 keine Kündigung erfolgte. Ein Schriftformerfordernis für die Kündigung war nicht vereinbart. Der Geschäftsführer des Unternehmens teilte dem Handelsvertreter in einem Telefonat am 30.09.2008 mit, dass er die Zusammenarbeit mit dem Handelsvertreter aus wirtschaftlichen Gründen zum 31.12.2008 beenden wolle. Dieses Telefonat führte der Geschäftsführer des Unternehmens nach eigenen Angaben im Beisein eines Zeugen, den er mithören ließ. Das zusätzliche Kündigungsschreiben des Unternehmens vom 29.09.2008 ging dem Handelsvertreter erst am 06.10.2008 zu.
Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die telefonische Erklärung des Geschäftsführers des Unternehmens vom 30.09.2008 („er wolle die Zusammenarbeit mit dem Handelsvertreter aus wirtschaftlichen Gründen zum 31.12.2008 beenden“) nicht zu einer Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses führte, weil diese Erklärung nicht die an eine Kündigung zu stellenden Mindestanforderungen erfüllte. Denn eine Kündigungserklärung muss eindeutig sein. Inhaltlich muss die Erklärung eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass das Vertragsverhältnis – mit Ablauf der Kündigungsfrist – beendet werden soll. Das Wort „Kündigung“ braucht dabei nicht verwandt zu werden. Es muss sich aber aus dem Gesamtzusammenhang im Wege der Auslegung ergeben, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses gewollt ist. Insoweit kommt es darauf an, wie die Erklärung der Erklärungsempfänger unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen konnte. Die Erklärung, man wolle eine Zusammenarbeit beenden, lässt dabei für seinen Empfänger offen, ob der Erklärende die hierfür nötige rechtsgestaltende Erklärung bereits in diesem Moment abgibt oder ob er nicht lediglich seine Absicht kundtut, dies in Zukunft noch zu tun.
Damit ist die Erklärung mehrdeutig. Es war für den Handelsvertreter auch nicht ersichtlich, auf Grund welcher Umstände er diese Erklärung gleichwohl als Kündigung verstehen musste. Das Gegenteil ist der Fall, weil es neben der Kündigung weitere Möglichkeiten, wie beispielsweise eine einverständliche Vertragsaufhebung gibt, um eine Zusammenarbeit zu beenden, und sich dem Handelsvertreter nicht aufdrängen musste, dass der Unternehmer nicht eine solche Möglichkeit der Vertragsbeendigung in Betracht gezogen hat. Im Ergebnis war mithin die erste wirksame Kündigungserklärung das Kündigungsschreiben des Unternehmens, welches dem Handelsvertreter erst am 06.10.2008 zugegangen ist, so dass das Handelsvertretervertragsverhältnis tatsächlich erst mit Ablauf des 30.06.2009 sein Ende gefunden hatte und nicht, wie vom Unternehmen beabsichtigt, bereits zum 31.12.2008
Keine Verwertbarkeit der Aussage des mithörenden Zeugen
Zudem hat das OLG Düsseldorf in dieser Entscheidung unter Hinweis auf die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass die Aussage des vom Geschäftsführers des Unternehmens zum Telefonat hinzugezogenen Zeugen nicht verwertet werden darf. Denn das Mithören des Telefonats erfolgte ohne Einwilligung des Handelsvertreters. Durch das heimliche Mithören ist in das durch Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG geschützte Recht des Handelsvertreters am gesprochenen Wort ohne eine dem Rang des grundrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Rechnung tragende Rechtfertigung erfolgt. Eine solche, den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht rechtfertigende Sachlage liegt allenfalls bei notwehrähnlichen Situationen, wie die Anfertigung heimlicher Tonbandaufnahmen zur Feststellung der Identität eines anonyem Anrufers oder zur Feststellung erpresserischer Drohungen oder bei dem Fall eines auf andere Weise nicht abwehrbaren Angriffs auf die berufliche Existenz vor.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Frank Dallmann, Paas & Dallmann Rechtsanwälte, Düsseldorf